Gespenster-Krimi Nr. 171: Die Seehexe

Gespenster-Krimi Nr. 171: Die Seehexe


Nebelschleier wogten am Ufer des Vänersees, ließen die Konturen der Bäume und Büsche unwirklich schemenhaft erscheinen. Christine Bengtsson stand im hohen, taufeuchten Gras und sah hinaus auf das schwarze Wasser. Ein Käuzchen schrie, und der Nebel verschluckte seinen Schrei. Christines Herz hämmerte. Sie war ganz allein und hatte die schwerste und endgültigste Entscheidung ihres jungen Lebens zu treffen. Des Lebens, das sie sich in dieser Nacht nehmen wollte. Langsam ging Christine zum See. Sie faltete die Hände über ihrem hohen, gewölbten Leib. Ihr ungeborenes Kind regte sich, sie spürte seine Bewegungen, und Tränen sickerten aus ihren' Augen über die blassen Wangen. Bleich und geisterhaft hingen die Nebelschleier über dem schwarzen Wasser, vor dem Christine sich so sehr fürchtete. Aber sie wollte nicht mehr weiterleben, und von alters her hatten sich Selbstmörder und Selbstmörderinnen im Vänersee ertränkt. Christine Bengtsson ging durch das Schilf. Ihre Füße traten ins eiskalte Wasser. Sie zögerte noch einmal, ein letztes Mal. Das blutjunge, rothaarige Mädchen mit dem einfachen, dunklen Kleid und dem schwarzen Umhängetuch fröstelte, schauderte zusammen. Wieder schrie das Käuzchen im Nebel, dumpf und unheimlich. Christine schluchzte auf.


von Brian Elliot, erschienen am 21.12.1976