Jaqueline Berger Nr. 7: Die Rache des Re
Jaqueline Berger Nr. 7: Die Rache des Re


Was für ein Silvester. Verdammte Scheiße – was für ein wahnsinnig geiles Silvester. Vermutlich das beste Silvester meines Lebens. Mehr davon. Ich will viel, viel mehr davon. Es war der erste Januar. Die Sonne war über den östlichen Wiesen emporgeklettert, die Bayron Manor umgaben, um uns einen kalten, aber gleichzeitig auch beschaulichen Tag zu bescheren. Das Gras schimmerte weiß, denn am Abend zuvor hatte es geschneit. Nun lag die weiße Pracht einer dicken Zuckerschicht gleich auf den verkrüppelten Halmen und auch auf den Ästen der umliegenden Bäume. Etwas entfernt erstreckte sich ein Wald, der noch zu den Ländereien der Bayrons zählte. Früher hatten dort Fuchsjagden stattgefunden, doch die teils sehr vehementen Proteste gewisser Naturschützer hatten dem einen Riegel vorgeschoben. Eine Tatsache, die weniger Diana-Marie als vielmehr ihren Bruder James Edward Bayron traf. Er war, wie seine Schwester, ein Vampir. Doch anders als Diana-Marie engagierte er sich weder im Hohen Rat noch diente er ihm als Jäger. James Edward war das Musterbeispiel eines englischen Gentlemans, eines Sirs, der eine gewisse Lebensart pflegte. Auf Bayron Manor gab es exklusive Sammlungen wertvoller Miniaturen, Statuen aus dem alten Ägypten und Waffen. Einige dieser Dinge hatte ich beschafft – ohne das wahre Wesen von James Edward zu kennen. Damals hätte es mich vermutlich nicht einmal interessiert, denn zu meiner aktiven Raubgräber-Zeit hätte ich die gefundenen Dinge auch Frankensteins Monster oder der Mumie verkauft – solange sie mich entsprechend bezahlten. James Edward liebte es, Empfänge zu geben. Er suchte die Gesellschaft, umgab sich mit reizenden Frauen und spielte den Lebemann, den nichts erschüttern konnte. Einzig die wenigen Bediensteten des Hauses wussten um sein Wesen – so wie sie auch um das Wesen von Diana-Marie wussten. Man kann keine Diener haben ohne es ihnen zu sagen. So hatte es mir Diana-Marie erklärt und es gab keinen Grund, an ihren Worten zu zweifeln. Sie war ein durch und durch ehrliches Wesen. Keine Lügen, keine falschen Versprechungen und keine Tricks. Zumindest nicht im Bezug auf mich. Wie sie ihre Jobs als Großjägerin des Hohen Rates in Wien erledigte, war ein anderes Thema. Aber das ging mich auch nur partiell etwas an. „Was für ein Silvester. Wenn das Jahr so wird wie sein Beginn verspricht, kann nichts mehr schief gehen. Dann können mir sogar die SSSK und ihre Erleuchteten gestohlen bleiben.“ Diana-Marie lachte träge, ehe sie sich im Bett herumrollte und wohlig knurrte. Der Tag hatte begonnen – Zeit für sie, etwas Schlaf zu finden. Bei ihr zu sein bedeutete auch einen völlig anderen Rhythmus zu haben. Bei Anbeginn der Dunkelheit aufzustehen, die Nacht über wach zu sein und am Morgen in die Federn zu kriechen. Wäre dies ein Leben auf Dauer, könnte es einen arg durcheinander bringen. Für ein paar Tage jedoch war es okay. „Komm ins Bett“, rief sie und klopfte auf die freie Stelle neben sich. „Wir werden heute Abend Gäste empfangen. Welch einen Eindruck macht es, wenn deine Augen auf halbmast hängen?“ Noch einmal genoss ich den Anblick der Morgensonne über den Wiesen, ehe ich den Vorhang schloss und meinen Bademantel zu Boden gleiten ließ. Die Blutsaugerin stieß abermals ein zufriedenes Knurren aus, hob die Decke und begrüßte mich mit einem Kuss, als ich schließlich neben ihr lag. „Bald beginnen Stress und Hektik des neuen Jahres. Die SSSK wird ihre Wunden lecken, sich aber sicherlich zu einer neuen, noch schlimmeren Aktion hinreißen lassen. Wir müssen auf der Hut sein.“ „Ich weiß. Aber nicht jetzt, nicht heute. Was war, das war, und was sein wird, wird sein. Du kannst es nicht aufhalten. Schlaf jetzt, meine Liebe.“ Ihre Stimme klang bereits etwas verwaschen. Als Vampirin wurde sie bei Sonnenlicht von einer tiefen Müdigkeit befallen, welche sie in Morpheus' Arme zwang. Nur mit größter Mühe konnte sie dem widerstehen. Sie tat es, wenn es die Situation erforderte, ohne es jedoch zu genießen. Bei mir war dies nicht der Fall. Ich war zwar müde, hundemüde eigentlich, aber in meinem Kopf arbeitete es. Nun, nachdem auch der letzte Böller verschossen, das letzte Sektglas geleert und der letzte Tanz getanzt war, alle Gäste in ihren Betten lagen und schliefen, um sich von dieser Feier zu erholen, in der Küche die Angestellten werkelten, um den Neujahrsempfang vorzubereiten, und auch nachdem im restlichen Manor absolute Stille herrschte, kehrten die Erinnerungen zurück. Wir hatten einen harten Kampf hinter uns, Diana-Marie, Joyce McCumail und ich. Der SSSK war es gelungen, einen mächtigen Dämon zu beschwören und die Hilfe der Tuatha zu gewinnen. Viele Tote hatte es in der Zeit kurz nach Weihnachten gegeben. Linda, meine Kollegin, hätte fast dazugehört. Am Ende jedoch konnten wir die Dinge mit vereinten Kräften und der Hilfe des Prieuré de Sion in die richtigen Bahnen lenken. Auch wenn wir dabei hatten Wege gehen müssen, welche letztlich als fragwürdig betrachtet werden mussten. Die SSSK, die sich als Untergruppe der Illuminati herauskristallisierte, hatte das Beste und das Schlechteste in uns geweckt, die Grenzen verschoben und uns vor Augen geführt, wie leicht Menschen auf die dunklen Pfade gelangen können.


Rezension von Benfi:


Kurzbeschreibung:
Den Jahreswechsel verbringt Jaqueline bei ihrer Freundin Diana-Marie auf Schloß Bayron in England. Als der Sammler von ägyptischer Kunst Sir Robert Stiers und seine Frau bestialisch umgebracht wird, läßt die Sonderkommission des MI-6 in Person von Tim Summers herbei bitten, da sie als Sonderermittlerin und Ägyptologin genau die Richtige für den Fall zu sein scheint, denn es wurden auch einige ägyptische Kunstgegenstände zerstört. Doch JB glaubt nicht, dass der Fall in ihren Bereich gehört. Als dann allerdings der Geschichtsstudent Peter McDuff Sohn des Vorsitzenden der kleinen Ägyptologievereinigung ISET ebenso bestialisch umgebracht wird und dabei noch zwei Polizisten sterbend mussten, und es davon auch noch eine Videoaufzeichnung gibt, auf der eindeutig eine Frau mit Löwenkopf als Mörderin auszumachen ist, muss die Sonderermittlerin doch ran. Und sie ahnt schon die Zusammenhänge: Sechmeth, die Löwenköpfige und Dienerin von Re, dem obersten Gott aus Unter-Ägypten, ist auf die Erde zurückgekommen, um gegen den ISET-Verein vorzugehen. Es stellt sich nur die Frage des Warums? Doch zum Überlegen bleibt Jaqueline nicht viel Zeit, denn Sechmeth schlägt ein weiteres Mal zu! Diesmal im britischen Museum in London


Meinung:
Hier geht es ja richtig zur Sache! Sechmeth wütet ja wie wild. Action und Spannung also schon mal satt! Dazu fesselnd geschrieben mit einer Menge gut recherchiertem Hintergrundwissen der ägyptischen Mythologie und interessanten Ereignissen im JB-Universum, das alles ist ein prima Grundgerüst für den perfekten Gruselroman mit voller Punktzahl, wenn das Wörtchen wenn nicht wäre! Denn erstens ist der Roman mit seinem sehr eigenartigen und unspektakulären Ende viel zu kurz und zweitens finde ich gerade das Warum in dem Fall nicht richtig erklärt wurde. Ging es einfach nur gegen die ISET-Mitglieder, oder haben diese wie im Roman erwähnt etwas angestellt, um Sechmeth oder gar Re zu erzürnen? Und schließlich gehen noch sechs Seiten des eh schon kurzen Romans ab, um im JAQUELINE BERGER-Universum einige Geschehnisse der letzten Romane zurecht zu rücken, was ja an für sich sehr gelungen ist. Aber das hätten Bonusseiten sein müssen! So gibt es Abzüge eines ansonsten sehr guten Gruselromans.


Besonderheiten:
Erscheinungsdatum: Januar 2005
- erster Auftritt von Tim Summers, Agent des MI-6


4 von 5 möglichen Kreuzen:
4 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Ist das ein Löwenschädel? Oder ein Leopard? Er sieht auf jeden Fall gefährlich aus! Leider stören die lockigen langen Haare ziemlich. Die hätten an einem kompletten Körperabbild effektvoller gewirkt.


Coverbewertung:
2 Kreuze