John Sinclair Nr. 1535: Der Satan von Soho
Der kalte Herbstnebel fuhr über Lucys Gesicht wie eine Reihe nie
abreißender feuchter Tücher. Er war so plötzlich gekommen,
obwohl der Dunst sich schon über ganz London verteilt hatte. Nur eben
nicht in der gleichen Dichte, und Lucy hatte das Pech gehabt, in eine Nebelwand
zu laufen, die sie regelrecht geschluckt hatte. Die Frau mit den blonden
strubbeligen Haaren lief noch einige Meter in die bleiche Wand hinein und
blieb dann stehen. Still war es geworden. Sie hörte nur ihren eigenen
Herzschlag, und den lauter als gewöhnlich. Schweiß lag nicht auf
ihrer Stirn, dafür eine gewisse Feuchtigkeit, die sich auf ihrem Gesicht
verteilt hatte ...
von Jason Dark, erschienen am 11.12.2007, Titelbild: E.J. Spoerr
Rezension von
Florian
Hilleberg:
Kurzbeschreibung:
John Sinclair kommt von der Abschiedsfeier eines Kollegen, als sein Kreuz
sich erwärmt und ihn so vor dämonischen Aktivitäten warnt.
Was der Geisterjäger in der engen Gasse findet ist alles andere als
erhebend. Drei übel zugerichtete Leichen und eine völlig
aufgelöste und schockierte Frau namens Lucy Martin. Diese berichtet
von einem fremden unheimlichen Mann mit einem Schwert, der die drei Typen
regelrecht hingerichtet hat, welche kurz zuvor noch Lucy vergewaltigen wollten.
John begleitet die junge Frau zu ihrem Wohnwagen. Gerade als er wieder fahren
will erscheint der unheimliche Mörder. Als John ihn verhaften will stellt
sich Lucy schützend vor den Killer, der Samson heißt und einst
der Satan von Soho war. Warum er sich so nennt erfährt John Sinclair,
als Samson ihn und seine Geliebte Lucy in die Vergangenheit entführt.
Der ehemalige Henker hat sich in eine Frau verliebt, die aber eine
Bürgerliche war und daher in ein Kloster gebracht werden sollte. Aus
Gram beging sie Selbstmord und so begab sich Samson auf die Suche nach einer
Frau, die so aussieht wie seine Geliebte. John trifft in der Vergangenheit
tatsächlich auf den unheimlichen Mörder und seine neue Gespielin.
Er feuert auf den Killer, dem selbst die Silberkugeln nichts anhaben
können. Daraufhin versetzt Samson sich, Lucy und John wieder in die
Gegenwart. Dort nimmt sich der Oberinspektor der jungen Frau an und bringt
sie in seine Wohnung, um sie entsprechend schützen zu können. Doch
Samson hat noch lange nicht aufgegeben und in der Tiefgarage unter dem Wohnblock,
in dem John Sinclair wohnt, kommt es zum mörderischen Showdown ...
Meinung:
"Der Satan von Soho" beginnt schon recht unheimlich und die Atmosphäre
der nächtlichen Gassen des berühmten Stadtteils wurden ebenfalls
sehr eindringlich beschrieben. Die drei Vergewaltiger reagieren allerdings
wieder sehr klischeehaft, dafür wurden die Morde äußerst
brutal geschildert, was für einen John-Sinclair-Roman eher
ungewöhnlich ist. Nachdem dann die Szenerie umschwenkt und der
Geisterjäger den erzählenden Part übernimmt beginnen einmal
mehr die Dialoge, die sich wie so oft im Kreise drehen. Wiederholungen gibt
es leider auch im Satzbau zuhauf. Ein Beispiel hierfür findet sich bereits
auf Seite 11: Es gab keine Menschen in der Nähe, und nicht wenige
Menschen hätten sicherlich Angst bekommen. Das zweite "Menschen"
ist vollkommen überflüssig und hätte ersatzlos gestrichen
werden können. Leider ist dies nicht die einzige Stelle, an welcher
der Lektor geschlafen hat. Auf Seite 31 trifft John Sinclair in der Vergangenheit
auf einen Fischer, der folgendes zu ihm sagt: "Du bist so anders. Du bist
nicht nur ein Fremder, du bist auch fremd. (...)"
Ein ähnlicher Fauxpas findet sich auf Seite 34: Dass ich mich in
der Vergangenheit befand, musste man sich mal vorstellen. Das war eigentlich
nicht vorstellbar. Bedauerlicherweise hat sich auch der Verfasser der
Zeilen, Jason Dark, nicht mit Ruhm bekleckert. So wird in diesem Heftchen
nicht nur das Wörtchen "verdammt" über Gebühr strapaziert,
auch die oben bereits zitierte Floskel "so anders" kommt in dem Roman an
allen Ecken und Enden zum Einsatz. Abgesehen davon, dass dieses Wortgebilde
vollkommen nichtssagend ist, so ist es auf die Dauer auch einfach ermüdend,
wenn Lucy oder John ständig betonen, dass alles so anders geworden ist.
Das beste Beispiel liefert die zweite Spalte auf Seite 44: (...) "Ich
weiß nicht. Es ist alles so anders geworden. Ich kann das nicht
erklären. Ich glaube, ich hatte einen Traum, der aber nicht gut war,
sondern schlimm." "Wollen Sie mir davon erzählen?" Endlich drehte sie
den Kopf und schaute mich an. Dabei irritierte mich ihr Blick. Er war so
anders geworden. Er war in die Ferne und zugleich nach innen gerichtet.
(...) In beiden Fällen könnte man den entsprechenden Satzteil
streichen und der Dialog würde nicht an Sinn verlieren, sondern im Gegenteil
sogar flüssiger zu lesen sein. Leider ist die Geschichte ebenfalls recht
undurchdacht. Die Idee, dass sich ein Dämon in eine Frau verliebt und
als diese stirbt nach einem Ersatz sucht, ist ja gar nicht verkehrt. Nur
die Zeitreise von John entpuppt sich schließlich als vollkommen unlogisch.
Wenn der Satan von Soho seine Geliebte in seine Zeit hätte entführen
wollen, dann hätte er sie kurz darauf nicht wieder in die Gegenwart
zu transferieren brauchen. Dafür zieht das Ende noch einmal richtig
an und überrascht den Leser mit der einen oder anderen, für den
Autoren untypischen, Szene. Die Beseitigung des Dämons dagegen wurde
wieder sehr vorhersehbar gestaltet. Das silberne Kreuz als Deus ex machina
zu bezeichnen wäre eine glatte Untertreibung.
Fazit: Eine nette Gruselgeschichte, die allerdings durch langwierige Dialoge,
unlogische Aktionen und ein mangelhaftes Lektorat zu Grunde gerichtet wird.
1 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Samson wird im Roman genau so beschrieben, ebenso wie Lucy Martin. In der
Geschichte ist es zwar der Mörder, welcher die violetten "Lassos" schwingt,
aber vom Stil her gehört dieses Cover zu den besseren Werken des
Künstlers.
Coverbewertung:
Rezension
von Ulrich
Surendorf/Chapman:
Kurzbeschreibung:
Auf dem Rückweg von der Pensionierungsfeier eines Kollegen wird John
durch sein Kreuz auf einen magischen Tatort aufmerksam gemacht. In einer
Seitengasse trifft er die junge Lucy Martin, die vor drei Leichen steht.
Die Männer wollten sie vergewaltigen und wurden dann von einer
hünenhaften, glatzköpfigen Gestalt mit einem Schwert getötet.
Daraufhin löste sich die Gestalt in einem Nebel aus lilafarbenen Schlieren
auf. John bringt Lucy, die zu einem Wanderzirkus gehört, zu ihrem Wohnwagen
und erlebt nun selbst mit, wie die Gestalt aus den Schlieren erscheint und
zu Lucy in den Wagen steigt. Lucy, die zuvor noch Angst vor dem Unheimlichen
hatte, zeigt sich nun sehr vertraut und scheint sich angeregt mit ihm zu
unterhalten. John betritt den Wagen ebenfalls. Als der Schwertmann auf den
Geisterjäger zugeht, verhindert Lucy, dass John auf den Unheimlichen
schießt. Sie erklärt, dass es sich bei dem Mann um einen Henker
aus der Vergangenheit Sohos handelte. Er heißt Samson, wurde aber nur
"Die Bestie von Soho" genannt. Samson flieht vor John in die Vergangenheit
und reißt Lucy dabei mit sich. Allerdings gerät auch John in die
Vergangenheit und trifft an der Themse einen Mann, der ihm von der Bestie
erzählt. So war Samson einst als Henker angestellt, wurde jedoch entlassen,
als er sich in eine Frau höheren Standes verliebte. Diese Frau hieß
Lucy, und es scheint, als sehe die Lucy der Gegenwart dieser Frau sehr
ähnlich und darum wurde sie von Samson als neue Braut auserkoren.
Außerdem tötet der Henker noch immer Menschen, wenn sie Straftaten
begehen und dem Gesetz entkommen sind. John trifft erneut auf Samson, als
dieser zwei Schmugglern auflauert und einen von ihnen tötet. Nun flieht
der Henker mit seiner Braut wieder in die Gegenwart und wieder kann John
ebenfalls in den Strudel auftauchen. Im heutigen London ist der Henker dann
zwar verschwunden, aber John nimmt Lucy mit sich nach Hause, um sie besser
schützen zu können. In der Nacht werden die beiden zwar von Samson
mit Telefonanrufen und Schattenspielen belästigt, allerdings zeigt sich
der Henker nicht selbst. Am nächsten Morgen will John mit Suko und Lucy
wieder zum Zirkus fahren, als Samson in der Tiefgarage auftaucht. Hier zeigt
er nun sein wahres Gesicht, denn er ist eine Kreatur der Finsternis, die
in ihrer zweiten Gestalt einem riesigen Eber ähnelt. John kann den
Dämon schließlich mit dem Kreuz vernichten, doch es scheint, als
seien seine Gefühle für Lucy echt gewesen
Meinung:
Dieser Roman hat mir recht gut gefallen, weil er spannend und ist und ohne
große Längen auskommt. Die Reise in die Vergangenheit scheint
zwar recht überflüssig, war aber ebenfalls spannend. Allerdings
vermutet unser Geisterjäger, dass er in die Zeit der Regentschaft von
Queen Victoria geschleudert wurde, und wähnt sich im 18. Jahrhundert.
Besagte Königin reagiert allerdings von 1837 - 1901; also im 19.
Jahrhundert. Auch seine eigene Geschichte hat John wohl nicht mehr richtig
im Kopf, denn als er in der Vergangenheit über den Stadtteil Soho nachdenkt,
in dem auch der berüchtigte Jack the Ripper sein Unwesen getrieben hatte,
meint er: "Auch ich hatte vor Jahren mit dem Ripper zu tun gehabt, doch das
war nicht der echte gewesen." Das ist zwar insoweit richtig, dass der Killer
in
Band
182 Ich jagte "Jack the Ripper"' der Reporter Ernie Shane war,
allerdings wurde dieser vom Geist des echten Rippers gelenkt. Und dass dieser
Geist schließlich in den Körper von Jane Collins gefahren ist,
hätte auch ruhig erwähnt werden können, zumal auf der Leserseite
dieses Bandes zufällig ein Brief abgedruckt ist, in dem eine Leserin
mitteilt, dass sie ein großer Fan der Detektivin ist und nach dem ersten
Treffen zwischen ihr und John fragt. Doch zurück zum Roman. Richtig
gut gefallen hat mir das Ende, auch wenn ich nicht ganz nachvollziehen kann,
dass John so begriffsstutzig ist, was die Existenz der Kreatur der Finsternis
angeht. Das war für jeden Leser wohl schon nach der Hälfte des
Romans klar. Dass Samson aber scheinbar wirkliche Gefühle für Lucy
hegt und regelrecht schockiert wirkt, als sie ihm "Fahr zur Hölle!"
zuruft, war eine wirkliche Überraschung und hat mir gut gefallen. Lucy
selbst war mal wieder eine sehr sympathische Nebenfigur, die mir wohl noch
lange in Erinnerung bleiben wird. Als sie ihre Sachen in eine rote Reisetasche
mit grünen Elefanten darauf einpackt und auch noch eine zerspielte Puppe
als Talisman mitnimmt, tat sie mir richtig leid
Irgendwie würde
ich mich freuen, wenn sie noch mal auftauchen würde. Eine lustige
Sprachentgleisung von Jason gab es diesmal auch: "Dass ich mich in der
Vergangenheit befand, musste man sich mal vorstellen. Das war eigentlich
nicht vorstellbar." (S. 34). Alles in allem gebe ich diesem Roman 3
Kreuze.
3 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Bild zeigt Lucy und Samson, so wie sie im Roman beschrieben werden, auch
wenn Lucy nicht in der Lage ist, die die lilfarbenen Zeitschleifen zu erschaffen.
Wenn man genau hinsieht, scheinen die beiden auf dem Cover übrigens
Vampire zu sein. Vom Stil her ist dieses Bild niemals ein Spoerr, das
könnte dann schon eher von Alexius sein.
Coverbewertung: