John Sinclair Nr. 1679: Mandragoros Geisterfrau

John Sinclair Nr. 1679: Mandragoros Geisterfrau


Phil Quentin hatte den Waldrand bereits hinter sich gelassen, als es ihn erwischte. Auf einmal war die gnadenlose Fußfessel da. Sie war aus dem Boden geschossen und umschlang jetzt seinen rechten Knöchel. Für einen Moment erstarrte der Mann. Dann versuchte er sich aus der Schlinge zu befreien. Es klappte nicht. Die andere Seite war einfach zu stark. So sehr er auch riss und zerrte, es war nicht zu schaffen. Aber er spürte genau die Gegenkraft, denn plötzlich riss es ihm das rechte Bein weg ...


von Jason Dark, erschienen am 14.09.2010, Titelbild: Lantz
Rezension von VoXpOpZ:


Kurzbeschreibung:
Sechs Investoren planen, einen Golfplatz mit Wellness-Hotel auf einem Stück unberührter Natur zu errichten. Mandragoros Geisterfrau Tabea will das verhindern und ermordet zwei der Männer. Das Vogelmädchen Carlotta findet eine Leiche, und Maxine Wells informiert John Sinclair. Gemeinsam wollen sie das Bauvorhaben stoppen und so weitere Morde verhindern. Tatsächlich gelingt es ihnen, die restlichen Investorengesellschafter zu überzeugen: der Golfplatzbau wird abgeblasen. Doch anstatt John und Maxine dankbar zu sein, will Tabea die zwei aus dem Weg räumen. Mandragoro greift daraufhin ein und vernichtet seine Geisterfrau. Er rettet John und Maxine das Leben


Meinung:
"John Sinclair" und Umweltromane sind zwei Begriffe, die in ihrer Kombination immer wieder polarisieren. Wenn dann aber auch noch ein John-Sinclair-Umweltroman mit CARLOTTA - wohl einer der unbeliebtesten Figuren in Fankreisen überhaupt - aufwartet, dürfte es der Roman in der Rezeption von vornherein echt schwer haben. Für den Autor bedeutete das Skript somit gewiss kein dankbares Stück Arbeit - was man ihm an der einen oder anderen Stelle auch anmerkt.
Herausgekommen ist ein (Achtung, Wortwitz!) durchwachsener Roman, der zwar gut zu unterhalten weiß und atmosphärisch dichte Momente hat - in seinem Nachgeschmack aber trotzdem diffus bleibt und das oben genannte Vorurteil leider bestätigt. Das liegt am wenigsten an Carlotta (sie wird zum Ende hin sogar sträflich vernachlässigt und muss das Finale auf der Rückbank im Auto verbringen) oder an stilistischen Schnitzern. Vielmehr liegt es an anderen personellen und auch inhaltlichen Fragezeichen. So ist die Grundidee der Geschichte ja ganz nett, aber mal ehrlich: ein Golfplatz ist kein Atomkraftwerk. Außerdem frage ich mich, welcher ernstzunehmende Umweltdämon sich über so eine relativ kleine gefährdete Fläche Natur aufregt, gibt es doch ganz andere Baustellen in der Welt. Das vom Verfasser zweimal erwähnte Unglück auf der Ölplattform "Deepwater Horizon" unterstreicht diese Absurdität unfreiwillig.
Vor allem aber leistet Titelfigur Tabea einen maßgeblichen Beitrag, der den Gesamteindruck des Romans schmälert. Tabea, diese unheimlich schöne Unheimliche, eigentlich eine Umwelt-Aktivistin, die einst in den Wald zog, um der bösen umweltsündenen Menschheit zu entsagen und Mandragoros Geisterfrau zu werden. Ja, mit ihr ist es so eine Sache. Am Anfang wirkt sie tatsächlich richtig gruselig. Ihre stummen Auftritte wirken dabei fast noch bedrohlicher als der grausame Mord an Phil Quentin. Ihr wehmütiger, trauriger Blick, der gekonnt vom Cover ins Heft übernommen wird, gibt ihr dabei eine klare Kontur und formt sie zu einer einprägsamen, nachvollziehbaren und wichtigen Figur. Die Wandlung in ihrer Darstellung zum Schluss hin aber wirft das wieder über Bord. Wie eine rücksichtslose Zicke vom letzten Baumschulen-Schulhof will sie ihr eigenes Ding durchziehen und Herrin über Leben und Tod spielen. Sie verkommt zu einer dämlichen Ego-Öko-Tussi, die den Wald vor Bäumen nicht sieht. Mandragoros Eingriff kommt da geradezu erlösend.
Was den Roman aber trägt, ihn stellenweise zu einem echten Glanzlicht werden lässt und auch noch eine Weile in Erinnerung bleiben wird, sind die atmosphärischen Naturschilderungen. Carlottas Flug durch die laue Sommernacht oder Johns Gang durch den Wald sind so schön erzählt, dass man die Geräusche der Natur fast hören, den Duft der Juninacht fast riechen kann. Sie stehen im Gegensatz zum ärgerlichen Umbruch in der Tabea-Figurenzeichnung und dem insgesamt eher unglaubwürdigen Grundstock der Geschichte. Schade! Denn so nährt "Mandragoros Geisterfrau" trotz guter Ansätze den Vorbehalt, dass John-Sinclair-Umweltromane einfach nicht so richtig funktionieren wollen.


3 von 5 möglichen Kreuzen:
3 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Einprägsames Cover, das mir gefällt. Tabeas wehmütiger Blick lässt einen nicht mehr los.


Coverbewertung:
4 Kreuze

Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Das Motiv wurde später auch noch auf dem Cover der John Sinclair Edition 2000 Hörspiel-CD Nr. 66 "Hexenwahn" verwendet:

John Sinclair Edition 2000 Nr. 66: "Hexenwahn"