John Sinclair Nr. 1682: Das Blutschiff

John Sinclair Nr. 1682: Das Blutschiff


Das Unheil näherte sich im zweiten Teil der Nacht, kurz vor Anbruch der Morgendämmerung. Es war in den letzten Minuten feuchter geworden und so hatte sich Nebel bilden können, der wie eine dünne Wattewand das Ufer bedeckte und auch über dem Wasser schwebte. Für die Küste war dieser plötzlich auftauchende Nebel normal. Niemand kümmerte sich darum. Er dämpfte auch das Klatschen der Wellen gegen den Strand und schuf ideale Bedingungen für diejenigen, die vom Meer aus ungesehen an Land gehen wollten. Noch befanden sie sich auf dem Wasser. Der alte Segler war kaum zu sehen, weil er in dieser Küstennebelsuppe steckte. Träge glitt er auf das Ufer zu, ein großer dunkler Schatten, der als Schiff kaum zu erkennen war. Eine Besatzung gab es auch, Personen, die nach Nahrung lechzten. Und die bestand aus einem besonderen Stoff. Es war das Blut der Menschen!


von Jason Dark, erschienen am 05.10.2010, Titelbild: Jarling
Rezension von Florian Hilleberg:


Kurzbeschreibung:
An der Küste Englands, nahe einem kleinen Fischerdorf werden vier blutleere Leichname angespült. Sir James wird informiert, der sofort seine beiden Mitarbeiter John Sinclair und Suko in Kenntnis setzt. Die vermuten weitere Halbvampire hinter den Morden. Gemeinsam mit Justine Cavallo reisen die Geisterjäger in das Fischerdorf. Dort gehen sie getrennte Wege und Justine findet bald die ersten Opfer der Halbvampire. Einer der Blutsauger ist bei den Leichen zurückgeblieben und wird von der Cavallo unschädlich gemacht. Zuvor verrät er ihr, dass sich seine restlichen Gefährten auf einem Schiff befinden, welches sie den ersten vier Toten abgenommen haben, die dann an die Küste angeschwemmt wurden. John Sinclair, Suko und Justine Cavallo machen sich bereit das Blutschiff zu entern, um die Erben des Dracula II endgültig zu vernichten …


Meinung:
Nun, endgültig ist vielleicht etwas übertrieben, denn dafür scheinen die Halbvampire ihrem geistigen Schöpfer allzu sehr zu gefallen und es steht zu befürchten, dass sie immer wieder aus der Versenkung geholt werden, um einen Ansatz von Serienkontinuität zu rechtfertigen. Für John Sinclair außerdem der perfekte Grund sich auf seiner Doppelmoral auszuruhen und Justine Cavallo schalten und walten zu lassen, wie es ihr beliebt. Nüchtern betrachtet haben die Halbvampire für die Serie allerdings jeglichen Reiz bereits verspielt. Für den vorliegenden Titel wären normale Blutsauger jedenfalls weitaus spannender gewesen, denn ihren Vorteil, dass sie wie gewöhnliche Menschen aussehen und auch tagsüber existieren können, konnten sie praktisch gar nicht ausspielen. Leider ist der Roman dann auch von vorne bis hinten unlogisch und unglaubwürdig aufgebaut, so dass ein richtiges Lesevergnügen nicht aufkommen will. Das beginnt bereits mit der vollkommen unverständlichen Schonung Mike Lesters, den die Halbvampire als Zeugen am Leben lassen und nur ein wenig Blut aus Stichwunden an seinen Beinen saugen. Und warum muss einer der Halbvampire bei den Leichen als Wächter zurückbleiben? Damit diese nicht gefunden werden? Vollkommener Blödsinn, denn wie lange soll er denn da warten? Na klar, bis die Cavallo auftaucht, um ihn zu einem echten Vampir zu machen. Erst ist der Halbvampir auch total euphorisch ob dieser Aussicht und eine Seite später gerät er in Panik und greift die blonde Bestie völlig unkontrolliert an, weil er nicht will, dass sie ihn aussaugt. Aha. Zu allem Überfluss ist Justine Cavallo dann auch zu dämlich einfach mal zu fragen, wie viele Halbvampire überhaupt existieren und sich speziell auf dem Blutschiff befinden. Dass Matthias, der Engelfresser, einen Auftritt hat oder wenigstens erwähnt wird, ist sicherlich zu viel verlangt und dementsprechend wird der Sohn der Finsternis auch mit keiner Silbe erwähnt. Zu guter letzt stellt sich dem Leser die Frage, wieso es sich John und Suko so schwer machen, erst mit Hubschrauber und Leihwagen in das Fischerdorf zu reisen. Dank der Recherchen von Sir James steht ja fest, wie das Schiff aussieht, das die Halbvampire gekapert haben. Eigentlich hätte Glenda lediglich mit den Geisterjägern auf das Schiff zu teleportieren brauchen. Dass sie auch unbestimmte Ziele anvisieren kann hat sie spätestens in den Romanen "Die neue Hölle" und "Der Kopfjäger" bewiesen. Letztendlich hat der Roman auch unübersehbare Längen, denn bis auf die ersten zehn, atmosphärisch geschilderten Seiten, ist der Part der Familie Lester leider sehr überflüssig.
Fazit: Langweilige halbgare Gruselgeschichte mit blutleeren Gegenspielern und einer überzogen agierenden Justine Cavallo. Das kann Jason Dark weitaus besser.


Besonderheiten:
Weitere sechs Halbvampire werden vernichtet.


1 von 5 möglichen Kreuzen:
1 Kreuz


Kommentare zum Cover:

Wieder mal ist das Cover das Highlight des gesamten Heftes. Leider wird das Blutschiff nicht ansatzweise so bedrohlich im Roman geschildert.


Coverbewertung:
4 Kreuze

Rezension von VoXpOpZ:


Kurzbeschreibung:
Sechs Halbvampire treiben vor der westenglischen Küste ihr Unwesen. Justine Cavallo gelingt es mit Hilfe von John und Suko, die Brut auszuschalten.


Meinung:
Nach vier Füllromanen erscheint mit dem "Blutschiff" endlich wieder ein waschechter "Jason Dark", der als Paradebeispiel herhalten kann, wenn es darum geht, die Merkmale eines wirklich guten und überzeugenden Romans herauszustellen. Romane wie dieser sind es, die der Serie Profil geben und den Leser binden. Vier grundlegende Voraussetzungen erfüllt Monsieur Rellergerd dabei bravourös:
1. Stimmung und Atmosphäre, ein Muss für jeden guten Gruselroman:
Ein verschlafenes englisches Küstenstädtchen, ein unheimliches Schiff und jede Menge Nebel schaffen das perfekte Setting. Vor dieser Kulisse werden die Aktionen der Halbvampire fast zum Selbstläufer. Was kann stimmungsvoller sein als eine Geisterjagd bei Küstennebel, Nacht und Nieselregen? In einer der stärksten Szenen beschreibt Jason Dark am Anfang des Romans die Ankunft der Vampire an Land und Kathy Lesters Begegnung mit einem von ihnen. Ein Moment, der unter die Haut geht. Mit atmosphärisch ähnlich hermetisch dichten Szenen setzt der Autor den Roman fort, der schließlich in einem stimmigen Finale auf dem Blutschiff selbst gipfelt. Dark beweist, dass er sein Handwerk versteht und Grusel drin ist, wo Grusel draufsteht.
2. Geradlinigkeit in der Handlung - die Grundbedingung für einen Roman, der beim breiten Publikum ankommen soll:
Ohne lästige Schnörkel oder ausufernde Rückgriffe auf angrenzende Themenbereiche erzählt Jason Dark eine Geschichte um das Erbe von Dracula II, das auch von Lesern ohne Vorkenntnisse verstanden werden kann. Kleine Unstimmigkeiten in der Handlung oder Logikfehler fallen hier kaum ins Gewicht, weil sie die gerade Linie der Handlung nicht brechen. Am Ende siegt das Gute, es bleiben keine offenen Fragen. Nichts ist unbefriedigender als eine fehlende Erklärung am Schluss, und nichts verunsichert "normale" und sporadische Leser mehr als Querverweise auf längst vergangene Abenteuer und Seriengeschehnisse, die nur von eingefleischten Fans erinnert werden, aber für die Hefthandlung irrelevant sind. Auch hier erhält Dark die volle Punktzahl.
3. Lebendige Figuren und nachvollziehbare Charaktere, sie sind das Salz in der Sinclair-Suppe.
Dabei geht es nicht nur um John selbst, der in diesem Roman sehr authentisch daherkommt und beste Identifikationsmöglichkeiten für den Leser bietet. Es sind auch die kleinen Randfiguren wie Sir James oder Glenda Perkins, die dem Leser ein Gefühl von familiärer Vertrautheit und der Serie einen Geschmack von Alltag und Lebensnähe geben. Kathy und Mike Lester sind empathische Figuren, wie Jason Dark sie in den vergangenen Jahren tausendfach erschaffen kann. Das Prinzip nutzt sich dabei nicht ab. Eigentlich austauschbare Figuren wie sie sind in ihren Gefühlen (Angst, Verzweiflung, Hoffnung) nachvollziehbar und werden immer wieder zu Herzfiguren des Lesers. Nicht zuletzt ist es aber Justine Cavallo, die dem Heft den letzten Schliff gibt. Mit ihrer berühmt-berüchtigten Vorschlaghammer-Mentalität bringt sie John auf die Palme und untergräbt wirkungsvoll die Autorität des titelgebenden Protagonisten. Die bewusste Überzeichnung der Figur ist hierbei Grundbedingung, denn die Cavallo funktioniert nur als Karikatur, die sich selbst nicht zu ernst nimmt. Jason Darks Leidenschaft, mit der er ihr Leben einhaucht, wird in beinahe jeder Passage spürbar. Der Spaß, den er beim Schreiben hat, überträgt sich auf den Leser und erklärt, warum sich Justine Cavallo in Fankreisen so großer Beliebtheit erfreut.
4. Ambivalente Gegenspieler.
Hier greift Jason Dark auf die wohl klassischsten Gruselfiguren überhaupt zurück. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob es sich um Halb-, Voll- oder Sonstwasfürvampire handelt. Die Blutsauger mit ihrer unmenschlichen Gier und Brutalität funktionieren heute genau wie vor 35 Jahren und sind dankbare Gegenspieler.
Diese vier Voraussetzungen bettet Dark in eine volkstümlich-deftige Erzählweise, die Literaturkritiker nicht unbedingt begeistern würde, aber dem Leser aus dem Herzen spricht, weil sie so natürlich und sympathisch, so "echt" ist. Der (fast) aktuelle Bezug zur WM und dem deutschen Sieg über England (wer erinnert sich nicht gerne an dieses grandiose Spiel) tut dabei sein Übriges. Romane wie dieser funktionieren, weil sie funktionieren. Sie holen den Leser in seiner Gegenwart ab und lassen ihn den Alltag vergessen, sie entführen ihn für ein paar Stunden in die faszinierende Welt des John Sinclair.
Fazit? "Das Blutschiff" ist ein ganz klassischer Sinclair-Gruselroman, von dem sich andere Autoren ruhig mal eine, zwei oder drei Scheiben abschneiden können. Wenn jedes Heft so gut geschrieben wäre, müsste man sich um den Fortbestand der Serie bis ins Jahr 2073 wirklich keine Sorgen machen.


5 von 5 möglichen Kreuzen:
5 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Kein schlechtes Titelbild, allerdings ist es insgesamt zu dunkel und hebt sich - gedruckt anders als oben in der Grafik - nicht richtig vom schwarzen Coverrahmen ab. Das Schiff im Heft hat keine Ähnlichkeit mit dem auf dem Bild.


Coverbewertung:
2 Kreuze

Rezension von M1rk0:


Kurzbeschreibung:
An die nördliche Küste Cornwalls werden einige Leichen angeschwommen, die auf die Tat einiger Halbvampire hinweisen. John Sinclair und Suko begeben sich zusammen mit Justine Cavallo in das kleine Küstenstädtchen, wo sie auf Mike und Kathy Lester treffen, die mit den Halbvampiren schon Bekanntschaft gemacht haben, aber glimpflich davonkamen. John und Suko erfahren, dass die Halbvampire mit einem Schiff ankamen, welches sie zuvor von der menschlichen Besatzung befreit haben. Justine erfährt währenddessen von einem Erben von Dracula II vom Standpunkt des "Blutschiffs". Zusammen fahren die drei in einem Motorboot zur besagten Stelle und können die Halbvampire erfolgreich eliminieren.


Meinung:
Dies ist wieder ein Roman, zu dem ich sehr zweischneidig stehe. Die erste Hälfte der Geschichte - übrigens dem ersten Sinclair, den ich auf der neuen, mir sehr gut gefallenen App gelesen habe - fand ich recht unterhaltsam. Die Szenen mit Mike Lester und seiner alten Mutter Kathy, die nachts etwas gesehen haben will und ihren Sohn nach draußen schickt, sind zwar wirklich seeehr ausführlich beschrieben, aber durchaus spannend beschrieben. Immer wieder schalten wir nach London zu Sinclair und Suko. In der zweiten Hälfte gibt es dann aber einige unnötige Gespräche zwischen Suko + Sinclair und den beiden Lesters. Die finale Szene beim Blutschiff ist zudem einfach nur Standardware und total voraussichtlich. Hier wurde der Lesefluss und die Unterhaltung stark getrübt. Insgesamt passiert im Roman nicht allzu viel, aber mir hat das Lesen auf dem iPod trotzdem Spaß gemacht, zumal ich die Atmosphäre in der Küstenstadt ganz gut nachvollziehen konnte. Was ich noch sehr nervig fand, was, dass Jason Dark in der ersten Hälfte beim jeden Mann beschreiben musste, wie der Stielaugen beim Anblick von Justine bekam. Ich weiß nicht, ob das ein Running Gag sein sollte, es nervte auf jeden Fall. Fazit: Diesen Roman kann man getrost überspringen, da er nichts besonderes ist. Wenn man aber nichts anderes mehr hat, kann man hier seichte Unterhaltung erwarten!


Besonderheiten:
Ein weiterer Auftritt der Halbvampire


1 von 5 möglichen Kreuzen:
1 Kreuz


Kommentare zum Cover:
Das Cover bringt eine richtig klassische Horror-Stimmung rüber und das Schiff wirkt auch richtig gigantisch, wurde im Roman selber aber leider an keiner Stelle so gut beschrieben. Gutes Cover!


Coverbewertung:
4 Kreuze