John Sinclair Nr. 1697: Aibons Echsenfalle
"Sie haben sich für diesen Anzug entschieden?" Die dunkelhaarige
Verkäuferin stellte die Frage routiniert. Ebenso routiniert war ihr
Lächeln. Der Mann zuckte zusammen, als wäre er angeschrien worden.
Eine Hand hatte er um den Kleiderbügel gelegt, die andere war zur Faust
geballt. Langsam hob er den Kopf und drehte sich um. Dabei starrte er die
Verkäuferin an. Die musste schlucken, bevor sie die nächste Frage
stellte. "Wollen Sie den Anzug in der Umkleidekabine anprobieren? Es ist
besser, wenn man es so macht, verstehen Sie?" Ihre eigenen Worte kamen ihr
blöd vor, aber sie wusste einfach nicht, was sie sonst hätte sagen
sollen
von Jason Dark, erschienen am 18.01.2011, Titelbild: Okon
Rezension von
Florian
Hilleberg:
Kurzbeschreibung:
Zwei Zeuginnen beobachten unabhängig voneinander, wie sich die Köpfe
zweier Männer in abscheuliche Echsenschädel verwandeln. Die Berichte
landen wie gewohnt auf dem Schreibtisch von Sir James Powell, der seine
Mitarbeiter John Sinclair und Suko auf den Fall ansetzt. Glücklicherweise
hat einer der Männer am Ort seiner Verwandlung eine Zeitung mit
Adressaufkleber hinterlassen. Als John und Suko zum Haus von Dr. Eric Quinn
fahren haben sich dort bereits mehrere Nachbarn versammelt, denn aus dem
Haus des Mannes sind schreckliche Schreie zu hören gewesen. Die beiden
Geisterjäger betreten das Gebäude und finden Dr. Eric Quinn wie
beschrieben mit einem Echsenkopf. Wenig später setzt die
Rückverwandlung ein und die beiden Polizeibeamten erfahren, dass Quinn
durch alte Schriften ein Tor zu Aibon geöffnet hat und dort Kontakt
mit Guywano hatte. Wenig später erhält Quinn einen Anruf von einem
ihm unbekannten Mann namens Sid Monroe, der ein ähnliches Schicksal
wie Quinn erlitten hat. Monroe will mit Quinn sprechen und stattet ihm einen
Besuch ab. Doch bevor es zu einer Aussprache kommen kann erscheinen zwei
Männer in Grau, die Hüter des Landes Aibon, deren Steine magische
Strahlen aussenden können, die absolut tödlich sind. Suko gelingt
es die beiden Wesen mit Hilfe von Buddhas Stab zu überwältigen
und ihnen die Steine abzunehmen. Daraufhin lösen sich die Männer
in Grau auf. Als Suko die Steine mit der Dämonenpeitsche bearbeitet
werden John, Suko, Sid Monroe und Dr. Eric Quinn nach Aibon geschleudert,
mitten hinein in den unwirtlichen Teil, der von Guywano beherrscht wird
Meinung:
Leider hat man bereits Seite 40 erreicht, ehe die Geschichte eine interessante
Wendung erhält. Nach dem Lesen bekommt man außerdem den Eindruck,
dass Jason Dark das Titelbild vorliegen hatte, sich dazu einen unpassenden
Titel einfallen ließ und unbedingt ein wichtiges Kapitel abschließen
wollte. Der Roman hat weder eine glaubwürdige Story, noch einen ansatzweise
nachvollziehbaren Plot. Die Geschichte beginnt belanglos und langweilig,
die Szenen im Kaufhaus und im Holland-Park, bringen die Ereignisse zwar in
Gang, doch das hätte man auch zweifellos kürzer abwickeln können.
Statt die Szene im Kaufhaus abzubrechen, als die Verkäuferin schreiend
zusammenbricht, wird ganze drei Seiten (!) mit unwichtigen Personen debattiert,
ob das, was Lena dos Santos gesehen hat, der Wahrheit entspricht, und ob
man die Polizei benachrichtig sollte. Und auch bei dem Vorfall im Park, als
Dr. Eric Quinn sich verwandelt, wird danach zweieinhalb Seiten nur geredet.
Insgsamt 5 ½ Seiten, die völlig unnötig verschwendet wurden,
und der eigentlichen Handlung später fehlen. John und Suko werden über
den Fall informiert, doch dann dauert es abermals vier (!) Seiten vom Erreichen
des Hauses von Dr. Eric Quinn bis zu seiner Entdeckung als Echsenköpfiger.
Da der Leser längst weiß, was aus Quinn geworden ist, hätte
die Szene höchstens halb so lang sein dürfen. Anschließend
folgen wieder endlos lange Dialoge. Erstaunlich und auch ein wenig
ärgerlich ist der Umstand, dass John und Suko beim Anblick des
Echsenköpfogen sofort an Aibon und Guywano denken, ohne überhaupt
in Betracht zu ziehen, es mit einer Kreatur der Finsternis oder einem Diener
des Spuks zu tun zu haben. Hätte John Sinclair wenigstens sein Kreuz
gezogen und den grünen Schimmer gesehen, wäre das etwas anderes
gewesen. Das Auftauchen von Sid Monroe entbehrt schließlich jeglicher
Logik. Woher kannte er Quinn? Welche Rolle spielt er überhaupt? Wie
hat er Kontakt mit Aibon erhalten? Und wieso überhaupt spielen sich
die Ereignisse wieder mal in London ab? Leider verliert der Autor dann mit
dem Erscheinen der Männer in Grau jeglichen Überblick über
seine eigene Serie. Das letzte Abenteuer mit den Hütern von Aibon, das
im Taschenbuch 73299 "Der magische Stein" nachzulesen ist, wird mit keiner
Silbe erwähnt, und dass obwohl dort die Basis der Männer in Grau
zerstört wurde. Und während in dem Taschenbuch die Männer
in Grau allein durch die Wucht von Geschossen vernichtet werden konnten,
geht John im vorliegenden Roman sogleich davon aus, dass weder Blei- noch
Silberkugeln ausreichen. Unverständlich ist auch Sukos Reaktion, der
die Magie von Buddhas Stab einsetzt, obwohl sie nicht in unmittelbarer Gefahr
schwebten. Sätze, wie folgender, sind schließlich der Gipfel der
Unverschämtheit: "Noch nie hatte er (Suko) sich mit den Männern
in Grau beschäftigt, und er hatte auch keine Zeit, näher darüber
nachzudenken." Oder: "So frei hatten wir die Steine noch nie
gesehen."
Jetzt könnte man meinen, dass die Geschichte an Fahrt gewinnen würde,
als die Protagonisten in Aibon ankommen, doch weit gefehlt. John und Suko
gelangen an ein Gewässer, in dessen Mitte eine Insel liegt, auf der
sich Quinn und Monroe befinden. Doch ehe sich die Geisterjäger
entschließen auf die Insel zu fahren vergeht wieder eine Seite, und
noch einmal zwei weitere, als sie mit dem Nachen dort eintreffen. Der
Zwischenfall mit den beiden Echsen im Wasser ist fast vernachlässigbar,
denn zu einem richtigen Kampf kommt es gar nicht, weil John sie einfach mit
Silberkugeln außer Gefecht setzt.
ACHTUNG SPOILER:
Das Highlight es Romans ist der Auftritt von Guywano, der zuletzt in Band
961persönlich in Erscheinung trat und seine endgültige Vernichtung.
Ihn quasi so nebenbei abzufertigen ist allerdings fast schon sträflich,
obwohl die Überraschung wirklich gelungen ist. Allerdings ist das Ende
einem Gegner, der seit Band 301 in der Serie vorhanden ist, vollkommen
unwürdig. Dabei hat sich Guywano zwar meistens im Hintergrund gehalten
und lediglich vier nennenswerte Auftritte gehabt, doch gerade deshalb hätte
man ihn noch für einige Romane etwas mehr in den Vordergrund rücken
können, um auch Neulesern die Chance zu lassen, diesen an sich interessanten
Charakter kennenzulernen. So bleibt Guywano ein alter, verrückter Mann,
der von einem Flötenspieler in Second-Hand-Klamotten kaltblütig
verbrannt wird. Der Auftritt des Roten Ryan ist wieder mal Jason Darks
Paradelösung für Aibon-Probleme und nicht origineller als das
vielkritisierte Kreuz- und Dämonenpeitsche-Finale. Schließlich
wird der Titel noch in jeder unpassenden Situation erwähnt und setzt
dem Ärgernis die Krone auf.
Fazit: Langweiliger und undurchdachter Aibon-Roman mit einem gelungenen
Überraschungseffekt am Ende. Leider kann auch der Abschluss eines weiteren
Kapitels im Sinclair-Universum den Roman nicht retten.
Besonderheiten:
Guywano, der mächtige Druidendämon und Herrscher über den
bösen Teil des Landes Aibon, wird vom Roten Ryan verbrannt und
endgültig vernichtet.
1 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Künstlerisch gibt es an dem Cover nichts auszusetzen, doch das Outfit
des Echsenköpfigen und das Headset erwecken den Eindruck, dass das Titelbild
eher für eine Science-Fiction-Serie gedacht war.
Coverbewertung:

Rezension von
VoXpOpZ:
Kurzbeschreibung:
Guywano versucht, mittels eines uralten Echsenfluchs Mischwesen - halb Echse,
halb Mensch - zu schaffen. John und Suko kommen ihm auf die Schliche, als
sie nach Aibon transportiert werden. Hier eilt ihnen der Rote Ryan zu Hilfe
und vernichtet Guywano endgültig.
Meinung:
Ein wirklich cooler Roman, der blendend unterhält, auch wenn er jedem
Menschen mit einem Hauch dramaturgischen Verständnisses die Haare zu
Berge stehen lässt. Die Geschichte ist undurchdacht und unstrukturiert,
sie entwickelt sich nur aus sich selbst. Anfang und Ende haben soviel miteinander
zu tun wie Guywano und Guantanamo - und das Ausscheiden einer der bis in
die späten 90er-Jahre wichtigsten Gegner-Figuren der Serie hätte
bei diesem unspektakulären Umkleidekabinen-Einstieg ("Passt Ihnen der
Anzug, mein Herr?") wohl niemand erwartet. Von Woolworth nach Aibon binnen
60 Seiten.
Doch - und das ist das eigentlich Erstaunliche an diesem Heft - "Aibons
Echsenfalle" macht richtig Spaß. Jason Dark versteht es bravourös,
seine nervige Dramaturgie, die mehr Löcher als ein Schweizer Käse
hat, durch eine wirklich schöne ("Der Mann sah [die Blätter] fallen.
Automatisch dachte er an die Vergänglichkeit, und so vergänglich
wie das Laub war auch sein Leben.") und amüsante Erzählsprache
("Wohin [die Männer in Grau] genau flogen oder wo sie landeten, das
sah ich nicht, aber ich hörte es klatschen, als einige von ihnen im
See landeten.") zu übertünchen. Nicht zuletzt wertet natürlich
Guywanos Ausstieg den Roman insgesamt auf.
Viel Lob kann unser aller Lieblingsautor gerade für die erste Hälfte
seines Romans jedoch nicht erwarten. Hier werden Dinge geschildert, die
wesentlich gestraffter hätten erzählt werden müssen. Das
Gespräch des Filialleiters mit der Verkäuferin beispielsweise ist
ein Stellentreter, wie er im Buche steht: überflüssig und Platz
raubend. Auch John und Suko bekleckern sich am Anfang ihrer Ermittlungen
nicht gerade mit Ruhm. Alles passiert irgendwie von selbst, ohne dass die
Geisterjäger groß etwas machen müssen. Die Adresse von Eric
Quinn steht auf seiner Zeitung, die Echsenmänner verwandeln sich
passenderweise zurück und erzählen John und Suko brav alles, was
sie wissen wollen. Dass letztlich auch noch Sid Monroe zufällig auftaucht
(angeblich von einem ominösen Anrufer einbestellt), ist die Krönung
der Absurditäten. Solche Willkürlichkeiten haben mit guter Dramaturgie
wirklich nichts zu tun.
Der zweite Teil des Hefts, der schließlich im sagenumwobenen Land Aibon
spielt, gelingt glücklicherweise besser. Zwar ist die Handlung um das
Boot und die Überfahrt zur Insel (wie oft verwendet Jason Dark eigentlich
sein neues Lieblingswort 'Nachen'?) auch nicht über alle Maßen
spannend, aber allein das Flair der geheimnisvollen Aibon-Welt lässt
die Geschichte zu einem regelrechten Sinclair-Fest werden.
Guywanos Ende ist dann auch wirklich stark beschrieben. Zwar hätte der
böse Meister sich seinen Abgang vielleicht etwas anders vorgestellt
(er schmilzt stumm und ohne Gegenwehr auf einer Lichtung im guten Teil von
Aibon), aber das Ende ist stimmig und überzeugt. Das Totenlied des Roten
Ryan und die Gewissheit, dass Aibon nun endlich seine ursprüngliche,
paradiesische Gestalt wiedererlangt hat, stimmen versöhnlich und lassen
den schwachen ersten Teil des Hefts fast vergessen.
Fazit? Lesenswerter Roman für zwischendurch, der einen uralten Feind
auferstehen lässt und ihn gleich wieder vernichtet. Hier macht Jason
Dark Nägel mit Köpfen.
Besonderheiten:
Guywano, der Herrscher des Dunklen Teils von Aibon, wird vom Roten Ryan
gekreuzigt und verbrannt.
4 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Eine hässliche Echsenfratze, die irgendwie nicht zur Sinclair-Serie
passt. Schade, hier wäre ein tolles Aibon-Bild des vergehenden Guywano
schöner gewesen. Aber die Zeiten, in denen Cover nach Inhalten angefertigt
worden, sind wohl lange vorbei.
Coverbewertung: