Professor Zamorra Nr. 52: Der Teufelsring

Professor Zamorra Nr. 52: Der Teufelsring


Ober dem Hügelland kochten die Wolken. Brodelnd wie gischtendes Meer jagten sie vom Sturm gepeitscht über den nachtschwarzen Himmel, nur vom gleißenden Zucken der Blitze zerrissen. Sie schleuderten ihr grelles Licht auf eine karge Landschaft. Heulend und pfeifend strich der Wind um die wenigen schroffen Felsbrocken, die aus dem dürren Gras ragten wie alte, dem Verfall preisgegebene Grabsteine aus einem vergessenen Friedhof. Nur war die Erde hier nicht geweiht. Sie war verflucht und verdammt für alle Zeiten! Der alte Mann in dem langen, weißen Umhang wußte das. Und trotzdem war er hier. Denn hier war sein Ziel. Jahrelang hatte Genc Yedicule geforscht. Besessen war er von seiner Arbeit gewesen, und nun hatte er es geschafft. Er hatte das Grab von Ahriman, dem verbannten Gott der Finsternis, gefunden! Von einer Sekunde zur anderen öffnete der Himmel seine Schleusen. Wasser rauschte auf das trockene Land und verschwand gurgelnd in den Ritzen, die die Hitze in den Lehm gesprengt hatte. Die stammdicken Arme eines weiteren Blitzes gruben ihr blauweißes Licht in das kochende Firmament, an dem die Sterne und der Mond sich versteckt hatten. Für Augenblicke hob sich die hagere Gestalt des Alten gegen den Horizont, die Konturen von vibrierendem Schein umflossen. Sein Umhang klebte wie ein Leichentuch an seinem knochigen Körper, schwer von Nässe triefte der graue Bart, wirr hingen ihm die Strähnen seines langen Haares in des wie aus Stein gemeißelte Gesicht. Dann war die Spukgestalt wieder von der Dunkelheit verschluckt, der Donner grollte über das Land und ließ die Erde unter den Füßen erbeben. Doch die Gestalt stand noch immer auf dem Fleck.


von Frank Helgath, erschienen am 15.06.1976