Raven Nr. 5: Merlins böses Ich

Raven Nr. 05: Merlins böses Ich


Der Raum lag tief unter der Erde, zugedeckt von der zeitlosen Stille der schottischen Hochmoore, ein gleichmäßig geformter Würfel mit etwas mehr als sechs Metern Kantenlänge und fünf Meter tief. Mehr als anderthalb Jahrtausende waren vergangen, seit die schwere steinerne Deckplatte das Grab verschlossen hatte, und seit dieser Zeit hatten kein Laut, kein Lichtschimmer den ewigen Schlaf des Toten gestört. Der Raum war leer bis auf einen niedrigen grauen Block aus poliertem Basalt. Die Wände waren sonderbar glatt und ebenmäßig, als wären sie geschliffen und miteinerhauchdünnen Schicht aus unsichtbarem Glas überzogen. Es war nicht nur ein Grab, sondern gleichzeitig Zuflucht, eine Trutzburg, in der der schmale, sorgfältig aufgebahrte Leichnam selbst dem Ansturm der Jahrtausende unbeschadet trotzen konnte. Sein Körper war unbeschädigt wie am ersten Tag, und das asketische, von Falten und Linien durchzogene Gesicht vermittelte eher den Eindruck eines Schlafenden als den eines Toten. Eine schwarze, eng anliegende Metallkappe bedeckte seinen Schädel und zog sich in einer dreieckigen Spitze bis tief in die Stirn, was den ansonsten sanften Zügen ein leicht diabolisches Aussehen verlieh. Die Hände waren auf der Brust gefaltet, und der Körper steckte in einem einfachen, sackähnlichen Gewand, das so schmucklos wie der Rest des Grabes war. Anderthalb Jahrtausende waren vergangen, seit der Magier zum letzten Schlaf niedergelegt worden war, doch nun war etwas geschehen, das den Bann der keltischen Magie, die seinen Körper vor dem Verfall bewahrt hatte, brach. Weit entfernt und von unbefugter Zunge gesprochen, war uralte Magie zum Leben erweckt worden.


von Wolfgang Hohlbein, erschienen am 28.10.2003, Titelbild: Blas Gallego
Rezension von Ulrich Surendorf/Chapman:


Kurzbeschreibung:
Die unbedachten Worte des Bibliothekars Wilburn (s. Raven Band 2‚Das Schwert des Bösen') sind nicht so folgenlos geblieben, wie Raven es sich erhofft hat. Die Formel, die Wilburn in dem alten, magischen Buch gelesen hat, sorgen dafür, dass der Magier Merlin aus einem Jahrhunderte währenden Schlaf erwacht. Doch Wilburn hat die Formel nicht vollständig gelesen und deshalb ist nur ein Teil des Magiers erwacht, der sich innerhalb kürzester Zeit in einen Dämon verwandeln wird, weil es sich um das böse Ich Merlins handelt. Die einzige Chance, das Erwachen des Dämons zu verhindern, ist, dass Wilburn noch einmal aus dem Buch liest, das Inspektor Card wieder an Jacob Biggs zurückgegeben hat. Der Professor ist jedoch inzwischen gestorben. Wilburn wendet sich an Raven mit der Bitte, das Buch noch einmal zu beschaffen. Doch auch einige Gangster haben von dem Buch erfahren und wollen es in ihre Gewalt bringen. Merlin sorgt dafür, dass Wilburn für tot gehalten wird und schafft einen Zweitkörper des Bibliothekars. Die Zeit läuft schneller ab, als alle Beteiligten geahnt haben und Wilburn und Raven können nicht verhindern, dass Merlins böses Ich entsteht und den Zweitkörper Wilburns zu einem Zombie macht, der das Buch an sich bringen will. In der Villa des verstorbenen Professor Biggs treffen die Gegner aufeinander. Wilburn entfacht mit Hilfe des Buches ein magisches Feuer, mit dem er das böse Ich des Magiers Merlin vernichten kann. Doch auch Wilburn überlebt nicht.


Meinung:
Mit diesem Roman schlägt Wolfgang Hohlbein noch einmal einen Bogen zu Band 2 ‚Das Schwert des Bösen' und macht so die Romane um den Privatdetektiv Raven zu einer wirklichen "Mini-Serie". Dabei dient der Magier Merlin hier eher als Gerüst für die Story, die auch mit jeder anderen Figur funktioniert hätte, weil auf die Geschichte des berühmten Mannes so gut wie gar nicht eingegangen wird. Der Beginn in Wilburns Wohnung hat mit sehr gut gefallen. Danach wurde mehr und mehr ein Krimi aus der Geschichte. Ich frage mich, ob es überhaupt keine Gruselromane gibt, die ohne die typischen Verbrecher auskommen. Natürlich immer muskelbepackte Kerle mit vernarbten Gesichtern... ;-) Dieser Roman war nicht mehr ganz so packend wie die Story um die Schattenreiter und bekommt deshalb 2 Kreuze.


Besonderheiten:
Dieser Roman erschien bereits als Gespenster-Krimi Band 479 unter dem Pseudonym Henry Wolf.
Dieser Roman erschien bereits als Dämonen-Land Band 135.


2 von 5 möglichen Kreuzen:
2 Kreuze


Kommentare zum Cover:
Das Titelbild hat überhaupt nichts mit dem Roman zu tun; es gibt keine Kristallkugel, kein Eule und schon gar keine Farbige, die mit Nadel gespickt wird. Und natürlich wird Merlin auch ganz anders beschrieben. Dazu kommt, dass ich dieses Bild nicht einmal schön oder faszinierend finde.


Coverbewertung:
0 Kreuze
Rezension von Florian Hilleberg:


Kurzbeschreibung:
Durch den unbedacht vorgelesenen Spruch des Bibliothekars Wilburn (Siehe Raven Band 2) erwacht der Zauberer Merlin aus seinem Jahrhunderte andauernden Schlaf. Doch der Spruch wurde nicht zuende gelesen, so dass nur ein Teil des großen Magiers zu erwachen droht: Nämlich sein böses Ich. Die dunkle Seite, die in jedem Menschen wohnt. Merlin erscheint dem verdutzten Bibliothekar in dessen Wohnung und warnt ihn vor der bevorstehenden Katastrophe, wenn sein böses Ich auf die Menschheit losgeht. Wilburn soll das Buch zurückholen und den Spruch beenden. Der alte Mann weiß sich keinen besseren Rat, als den Geisterdetektiv Raven zu benachrichtigen, denn er war es ja schließlich, der ihm das Buch gebracht hat. Raven will sofort zu Wilburn kommen, doch ein Gangster hat das Telefonat des Bibliothekars mit dem Detektiv belauscht und wittert ein Geschäft. Er informiert seinen Boss, der zwei Schläger zu Wilburn schickt. Doch bevor der kleine Mann ernstlich zu Schaden kommen kann erscheint Merlin wieder und verbrennt die beiden Männer, wobei das gesamte Haus in Flammen aufgeht. Als Raven am Tatort erscheint, wo es schon vor Polizei und Feuerwehr wimmelt, kann ihm sein Freund Inspektor Card nur noch den Tod des Bibliothekars mitteilen. Doch von einem Feuer gibt es keine Spur mehr, als ob nie eines da gewesen wäre, nur die beiden Leichen der Gangster sind nach wie vor verbrannt. Wilburn selber ist auch nicht tot, sondern von Merlin in ein Lagerhaus in Londons Industriegebiet gebracht worden. Wilburn soll weiterhin das Buch beschaffen und stattet daher Raven einen Besuch ab, der ebenfalls von den Gangstern in die Mangel genommen wurde. Wilburn schafft es durch Merlins Hilfe den Detektiv vor dem Tode zu retten. Derweil ist Wilburns "Leiche" im Leichenhaus erwacht und geflohen. Der Tote hinterlässt eine Spur aus Leichen, bevor er in das Haus des Professors, dem das Buch gehörte eindringt. Dorthin sind auch Raven und der echte Wilburn unterwegs. Auch der Gangsterboss und zwei seiner Gorillas wollen an das Buch und folgen den Beiden. Als beide Parteien sich bekämpfen erscheint auch der Leichnam Wilburns, der in Wahrheit Merlins böses Ich ist. Er nimmt das Buch an sich, das Wilburn in der Zwischenzeit für die Gangster herausgesucht hat. Mit diesem Buch will Merlin die Welt beherrschen. Doch Wilburn ergreift das Buch, das daraufhin in Flammen aufgeht und Merlin, Wilburn und das Haus vernichtet. Raven und die Gangster können entkommen und werden schon von Card und der Polizei vor dem Haus erwartet.

Meinung:
Ein ganz netter Roman, der durchweg spannend geschrieben wurde. Aber irgendwie fehlt ihm der letzte Schliff. Der Schluss kommt etwas plötzlich und mir persönlich ist es genauso ergangen wie Raven, ich habe ihn nicht so ganz verstanden. Warum wurde Merlin vernichtet, nur weil Wilburn das Buch berührte? Außerdem scheint es in London von Gangstern ja nur so zu wimmeln, so oft, wie Raven mit ihnen in Kontakt kommt. Auch wenn er Detektiv ist, der Grund warum sich der Gangsterboss so für das Buch interessiert scheint mir ein wenig an den Haaren herbeigezogen zu sein. Die Gangster selber werden so klischeehaft wie selten dargestellt und die ständigen Rangeleien zwischen ihnen und Raven wirken auf die Dauer eher ermüdend. Etwas Pepp erhält das Heft durch die Handlung mit der lebenden Leiche, die ihre Gegner in sekundenschnelle altern lassen kann. Alles in allem ein guter Roman, der aber nicht das Zeug zum Highlight hat.


3 von 5 möglichen Kreuzen:
3 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Ich weiß nicht, was dieses Bild mit dem Roman zu tun haben soll. Des Weiteren finde ich es auch nicht schön gezeichnet. Der Zauberer wirkt auf mich wie ein Jahrmarktsmagier und nicht wie der große Merlin. Außerdem werde ich das Gefühl nicht los, dass die Frau in der Kugel und der Rest des Gemäldes nicht vom selben Künstler stammen.


Coverbewertung:
0 Kreuze