Silber-Grusel-Krimi Nr. 21 (NA): Schreie aus dem Sarg
Silber-Grusel-Krimi Nr. 21 (NA): Schreie aus dem Sarg


Sie war beschwipst, als sie, das Glas in der Hand, auf den Balkon wankte. Aus dem riesigen Saal hinter ihr, erklang das Lachen fröhlicher Menschen. Nanette atmete tief die milde Luft ein. Der Boden unter ihr schien sich wellenförmig zu bewegen. Sie merkte nicht, wie sich schattengleich eine Gestalt neben dem schweren, mit Goldfäden durchwirkten Vorhang bewegte und ungesehen von den anderen geladenen Gästen ebenfalls auf den Balkon huschte. Eine Hand legte sich auf ihren Mund. Nannette wollte blitzartig herumwirbeln und schreien - doch nur ein dumpfes Gurgeln kam über ihre Lippen. Zu schwach, zu leise, um im Trubel des Festes gehört zu werden. Das Champagnerglas entglitt ihren verkrampften Fingern und fiel über die Balkonbrüstung siebzehn Stock in die Tiefe. Nanette wurde von starken Armen über den Boden geschleift. Sie war unfähig, sich zu bewegen. Die Benommenheit nahm zu, ihre Glieder wurden schwer. Die Hand auf ihrem Mund! Sie atmete die betäubenden Dämpfe ein, die den Poren der Handinnenfläche entströmten ...


von Dan Shocker, erschienen am 27.06.1972, Titelbild: R.S. Lonati

Rezension von Benfi:


Kurzbeschreibung:
In Conakry/Guinea verschwinden die Töchter von bessergestellten Familien und werden ein paar Tage später tot aufgefunden. Da es sich bei diesen Familien zumeist um der weißen Rasse zugehörigen Menschen handelt, vermutet die Polizei sowie auch die PSA, welche schon im Hintergrund an diesem Fall arbeitet, daß hinter diesen Tötungen die sagenumwobene Organisation "Gnamous" steckt. Diese möchte die Weißen aus ihrem Land, ja sogar vom Kontinent Afrika vertreiben. Und wie es bei dieser Organisation üblich ist, werden die Opfer zu lebenden Toten gemacht, was zur Folge hat, daß die Personen ohne sich auch nur zu rühren ihre eigene Beerdigung mitbekommen. Werden sie aber nicht beerdigt, wandeln sie als Untote umher und attackieren ihre Mitmenschen! So soll es auch bei Nanette Luison geschehen, welche von einer Party ihrer Eltern entführt wird! Gefunden wird nur noch ihre Leiche. Dann allerdings bedroht man ihren Vater und drängt ihn, die Tochter schnell zu begraben. Da schreitet Larry Brent ein. Er verschiebt alle Beerdigungspläne und versucht an die Anführer der geheimnissvollen Organisation zu kommen, um Nanette eventuell doch noch zu retten. Gleichzeitig soll in Epernay/Frankreich die ebenfalls in Guinea verstorbene Charlene Simonelle beigesetzt werden. Doch durch einen Schrei aus ihrem Sarg wird die Zeremonie verschoben. Und tatsächlich erhebt sich Charlene wieder und greift ihre Familie an. Wie kann man diese gefährlichen Attacken von "Gnamous" stoppen und wer ist der Anführer?


Meinung:
Der erste Roman, in dem sich Dan Shocker sich mit dem Thema des Untotseins abgibt. Die Variante davon in diesem Roman ist - wie viele andere auch - aus Afrika und ähnelt dementsprechend dem klasssischen Voodoo. Allerdings hat der gute Dan hier völlig daneben geschossen. Sehr langatmig baut er hier die Handlung auf, welche dann auch noch ohne großen Knall endet. Genauer ausgedrückt hat der Roman keinen wirklichen Höhepunkt, auf den die Geschichte hinauszielt. Schlimmer noch: der komplette zweite Handlungsstrang in Frankreich ist zwar gut geschrieben und hat durchaus einige gruselige Passagen, doch ist innerhalb der gesamten Story eigentlich völlig überflüssig! Und mit der alleinigen Festnahme des Anführers der Organisation dürfte eine solche Mächtige eigentlich kaum resignieren und sich auflösen. Der bisher schwächste Larry Brent Roman!


1 von 5 möglichen Kreuzen:
1 Kreuz


Kommentare zum Cover:

Erstmalig wurde das Cover tatsächlich bei allen Auflagen des Romans verwendet. Das liegt bestimmt daran, daß die Szene, aus der die mit Pfeilen vollbespickte Frau aus dem Sarg steigt und der Medizinmann sie beschwört, ziemlich genau so in dem Roman auftaucht. Allerdings ähnelt die Dame auf dem Cover irgendwie einem Igel. Ein komischer Anblick!


Coverbewertung:
1 Kreuz

Rezension von Egon der Pfirsich:


Kurzbeschreibung:
In Conakry, der Hauptstadt der ehemaligen französischen Kolonie Guinea in Westafrika, verschwinden die Söhne und Töchter gutsituierter europäischer Familien und tauchen einige Zeit später vermeintlich "tot" wieder auf. Das neueste Opfer ist die junge Französin Nanette Luison. Hinter all diesen Vorfällen steht der rätselhafte Geheimbund der "Gnamous", der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Europäer aus Guinea zu vertreiben. Alle Opfer werden einem geheimnisvollen Ritual unterzogen, das sie nicht tötet, sondern in einen rätselhaften scheintoten Zustand versetzt. Werden sie daraufhin beerdigt, ist das ihr endgültiger Tod, andernfalls würden sie sich, während sie tagsüber in der totenähnlichen Starre verharren, nachts zu einem zombieähnlichen Leben erwachen und Amok laufen. Dies geschieht in Frankreich, wo die junge Charlene Simonelle, ein früheres Opfer der "Gnamous", vor ihrer Beerdigung "erwacht" und in einem fürchterlichen Blutrausch ihre Mutter tötet. Als der Vater des Mädchens zusammen mit dem Hausarzt der Sache auf dem Grund gehen will, werden sie von den Mitgliedern der Gnamous bedroht, der Arzt verliert dabei sein Leben. In Guinea selbst versucht Larry Brent, das Rätsel zu lösen. Während Larry, nachdem er selbst in die Hände der Gnamous geraten ist, mit Hilfe der Polizei und eines eingeborenen Medizinmannes Nanette Luison retten kann, wird in Frankreich die amoklaufende Charlene Simonelle von Polizisten erschossen.


Meinung:
Ich habe diese (ursprünglich nicht geplante) Rezension ganz spontan verfaßt, nachdem ich ein wenig in den bereits vorhandenen Rezensionen zu Larry Brent-Romanen geschmökert und dabei festgestellt habe, dass zu "Schreie aus dem Sarg" bisher nur eine, und dazu noch sehr negative, Rezension vorliegt. Mir hat dieser Roman jedoch gut gefallen, denn er bietet eine sehr interessante Story. Ob man hier von einer Voodoo- oder Zombie-Geschichte sprechen kann, würde ich bezweifeln, aber in diese Richtung geht es schon in gewisser Weise. Jedoch wäre Dan Shocker nicht Dan Shocker, wenn er nicht etwas Besonderes bieten würde, was sich von dem sonst gebotenen Zombie-Eintopf wohltuend abhebt. Dieser Roman gehört ja noch zum "Frühwerk" Dan Shockers (er war "erst" sein 21. Larry Brent-Gruselkrimi), und zu diesem Zeitpunkt hatte die Magie noch keinen Fuß in der Serie gefasst, sondern es herrschten pseudowissenschaftliche Themen vor. Zombies wurden von Dan erst über ein Jahr und 14 Romane später in "Orungu - Fratze aus dem Dschungel" (Silber-Krimi Nr. 910 / Silber Grusel-Krimi Nr. 35 - in der eigenständigen Larry Brent-Serie erschien dieser Roman unverständlicherweise bereits vor "Schreie aus dem Sarg" als Nr. 17) erstmals eingeführt.
Ich halte diesen Roman thematisch für gelungen, weil originell und interessant. Ich kann dem Vorrezensenten "Benfi" auch nicht zustimmen, dass der Roman keine Höhepunkt hätte. Sicher gibt es einige Passagen mit etwas Leerlauf, dazwischen aber auch immer wieder dramatische Szenen, vor allem in den in Frankreich spielenden Passagen: etwa die Beerdigung Charlene Simonelles und die anschließende Ermordung ihrer eigenen Mutter, die Tötung des Hausmädchens Claudine und zuletzt Charlenes finaler Amoklauf. Diese Passagen brauchen sich vor keinen anderen Horrorpassagen im Werk Dan Shockers oder eines anderen Heftromanautoren zu verstecken, und insbesondere der abschließende Amoklauf Charlenes, der mit ihrem Tod endet, gehört für mich zu den packensten Szenen dieser Art: als sie nach dem blutigen Amoklauf in den Armen ihres Vaters sirbt und dabei ihren Verstand wiederfindet, ging mir das wirklich unter die Haut. Auch halte ich die Frankreich-Episode nicht für überflüssig: sicher ist sie nur lose mit der Haupthandlung in Guinea verbunden, aber sie zeigt auf, was auch mit Nanette Luison und anderen Opfern der Gnamous hätte geschehen können. Zu kritisieren wären hier nur die vielen offenen Enden: auf den Tod Madame Simonelles und des Hausmädchens geht Dan Shocker nicht mehr ein, und der Handlungsstrang endet abrupt und ohne wirklichen Abschluß unmittelbar nach Charlenes Tod. Auch der Abschluß des Romans in Guinea - da stimme ich Benfi zu - ist wenig aufregend und auch nicht wirklich überzeugend. Ebenso wenig überzeugt das Motiv des Haupträdelsführers Dr. Salifou Keita. Er habe aus "überspitzem Rassebewußtsein" gehandelt, heißt es lapidar. Das ist als Erklärung jedoch sehr dürftig und ist obendrein eine Steilvorlage für ungerechtfertigte Angriffe politisch überkorrekter Personen, die hier problemlos rassistische Ressentiments hineininterpretieren könnten. (Dies zumindest in der heutigen Zeit, man darf aber nicht übersehen, dass der Roman bereits 40 Jahre alt ist.) Trotz dieser Kritikpunkte hat der Roman in meinen Augen deutlich mehr als 1 Kreuz verdient. Dan Shocker hat sicherlich viele bessere Romane geschrieben, aber ich könnte problemlos auch einige Dutzend Titel herunterbeten, die zum Teil erheblich schwächer sind.


4 von 5 möglichen Kreuzen:

4 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Das Cover ist eines der frühesten Cover Lonatis für Dan Shocker Romane. Es ist wie viele dieser frühen Cover in eher düsteren Farben gehalten. (Später hat Lonati auch für Gruselromane oftmals deutlich hellere und freundlichere Farben verwendet). Es paßt in jedem Fall sehr gut zum Roman.


Coverbewertung:
3 Kreuze