Silber-Grusel-Krimi Nr. 274: Das sechsfüßige Monster
Silber-Grusel-Krimi Nr. 274: Das sechsfüßige Monster


»Tausend Pfund, sagst du?« »Zwanzig Riesen.« »Jedem von uns?« »Klar. Wir machen es ja auch gemeinsam. Einer allein kann das gar nicht.« Joseph Hicky belauerte mißtrauisch seinen Partner. »Ich habe doch richtig verstanden: Du schaltest die Alarmanlage aus, ich gehe rein und hole das Zeug raus. Wenn nun einer im Labor ist?« Bratt Fagin wurde ungeduldig. »Da ist niemand. Das ist todsicher ausbaldowert worden.« »Und wenn zufällig doch einer kommt?« »Mann, Joe, du machst doch so was nicht zum ersten Mal. Dann verpaßt du ihm eben eine.« Joe Hicky dachte nach. »Hm ... findest du das nicht eigenartig?« »Was?« »Du knipst irgendwo im Keller einen Draht durch und haust ab, und ich gehe rein in die Bude, suche das Zeug und muß vielleicht auch noch einen erschlagen. Und beide kriegen wir pro Mann zwanzig Riesen.« Der Partner reagierte sauer. »Na schön, wenn du willst, können wir auch tauschen. Du knipst den Draht durch und ...«


von Wolfgang Rahn, erschienen am 18.12.1979, Titelbild: ???

Rezension von Egon der Pfirsich:


Kurzbeschreibung:
Der Polizist Ralph Broderick macht mit seiner Familie Urlaub an der See. Schon in den ersten Tagen kommt es zu einigen unerklärlichen Todesfällen: eine junge Frau ertrinkt, obwohl sie eine gute Schwimmerin und ihr Freund direkt in ihrer Nähe ist, und ein Insektensammler stirbt an einer mysteriösen Blutkrankheit. Durch diese Taten wird die Fantasie der kleinen Polizistentochter Luella Broderick angeregt: Sie glaubt, dass Dennis Curry, der Freund der ertrunkenen Frau, hinter allem steckt. Als kurze Zeit später ihr jüngerer Bruder von einem merkwürdigen, ungewöhnlich großen Nashornkäfer gebissen wird und an den Folgen des Bisses verstirbt, verstrickt sich Luella immer mehr in den Gespinsten ihrer Fantasie: sie beschließt, auf eigene Faust den vermeintlichen Täter zu stellen. Tatsächlich ist Dennis Curry in die Sache verwickelt: er hat sich mit dem Dämonenclan der Orkusen verbündet und dadurch erreicht, dass er jede Nacht seine ertrunkene Freundin für 1 Stunde wiederbeleben und liebhaben kann. Er spürt das Mädchen Luella, das ihm auf die Schliche kommt, auf, stellt sich aber gegen seine dämonischen Verbündeten, als diese verlangen, er solle Luella töten. Daraufhin wird er selbst das Opfer des (zwischenzeitlich weiter gewachsenen) Nashornkäfers.
Durch diese Vorfälle schaltet sich der Dämonenjäger Chuck Mamulian mit seinen Mitarbeitern in den Fall ein. Er findet heraus, dass seine Erzfeinde, die Orkusen, einen neuerlichen Versuch gestartet haben, die Menschheit auszurotten. Dazu bedienen sie sich eines Käfers aus dem Labor eines Wissenschaftlers, der im Auftrag des Militärs Experimente an Tieren durchführt und auch vor Eigenversuchen nicht zurückschreckt, bei denen er sein eigens Blut verseucht. Als der Wissenschaftler bei einem Überfall getötet wird, kann der Käfer entkommen, nachdem er vom verseuchten Blut des Wissenschaftlers getrunken hat. Dieses Blut bewirkt nun das rasante Wachstum der Käfer, die in jeder Generation (und somit von Tag zu Tag) um das 7-fache an Gewicht und Kraft zunehmen.
Mit aller Macht versuchen Chuck Mamulian und seine Gefährten das Unheil zu stoppen. Die Situation eskaliert, als Ralph Broderick und seine Tochter Luella auf eigene Faust versuchen, den Riesenkäfer zu vernichten und sich dabei in Lebensgefahr begeben. Erst als der Käfer sich ein Opfer sucht, das sich zuvor mit einem Gegengift geimpft hat, kann er im letzten Moment vernichtet werden.


Meinung:
Der Themenkomplex "Riesenwuchs bei Tieren" war in so ziemlich allen größeren Gruselserien und -reihen vertreten. Vorzugsweise mußten dabei Insekten oder Spinnen herhalten, aber auch Tiere wie Schlangen, Frösche, Ratten und andere Geschöpfe, auf die viele Menschen mit Ekelgefühlen reagieren, waren vertreten, und selbstverständlich auch solche Viecher, die tatsächlich gefährlich sind.
Dabei war das Thema durchaus nicht unumstritten. Jason Dark hat vor vielen Jahren auf seiner Leserseite einmal geschrieben, dass er diese Thematik langweilig fände. Nun, da hat er vermutlich an seine eigenen Beiträge gedacht, denn tatsächlich ist das Ergebnis pure Langeweile, wenn man als Erklärung für den tierischen Riesenwuchs nichts Besseres parat hat als z.B. er selbst in seinem Sinclair Band Nr 40 (Erstauflage).
Interessanter waren da schon die Versuche Dan Shockers, der sich, vor allem in der Frühzeit seiner Larry Brent-Serie, dem Thema auch von der pseudonaturwissenschaftlichen Seite genähert hat. So hat er beispielsweise Raupen, Spinnen und sogar Amöben zu ungeahntem Riesenwuchs verholfen, ohne die schwarze Magie und dergleichen zu bemühen. Egal, wie abwegig seine Theorien dabei im Grunde waren, diese Romane hatten mehr Faszination und Spannungsgehalt als die trivialen Ameisendämonen von Jason Dark. (Leider hat der gute Dan aber auch schon mal ziemlich dreist bei Filmen wie "Tarantula" abgeschrieben.) Spätere Versuche Dan Shockers - z.B. in Larry Brent Nr 112 - boten dann leider nur noch "magische" Erklärungen, waren aber wenigstens fantasievoll ausgedacht.
Last not least sei noch auf die zahlreichen Titel im Vampir-Horror-Roman hingewiesen, die sich der Riesenwuchs-Thematik annahmen, zumal einige der dort publizierten Titel Übersetzungen waren.
Soviel als Vorgeplänkel zu diesem Silber Grusel-Krimi von Marcos Mongo (das ist hier Wolfgang Rahn, der sich später das Pseudonym "Mortimer Mortmain" zulegte, unter dem er in der gleichen Reihe auch die Romane um den Dämonenjäger Milton Sharp veröffentlichte). Hier geht es um riesenhaft vergrößerte Nashornkäfer. Dabei ist grundsätzlich positiv anzumerken, dass der Autor das Riesenwachstum nicht mit Magie, sondern durchaus "pseudowissenschaftlich" erklärt, auch wenn der Käfer später von den dämonischen Orkusen instrumentalisiert wird. Negativ ist jedoch, dass diese pseudowissenschaftliche Erklärung haarsträubender Unsinn ist: während man die Idee mit dem verseuchten Blut noch irgendwie nachvollziehen kann, ist der Entwicklungszyklus der Käfer einfach nur an den Haaren herbeigezogen und entbehrt jeder Vernunft: ein Nashornkäfer kann sich nicht von einem Tag zum anderen fortpflanzen.
Ansonsten ist der Roman flott geschrieben und bietet neben Action satt auch einige gelungene "Grusel"-Passagen. Dass der Autor einen 10-jährigen Jungen umkommen läßt, dürfte für einen Gruselroman der 70er-Jahre eher untypisch sein, aber der Jugendschutz hat es offenbar durchgewinkt.
Mit den Romanen Dan Shokers kann Wolfgang Rahn hier nicht mithalten, aber sein Versuch ist in meinen Augen um Klassen besser als der erbärmlich schwache Sinclair-Band Nr 40.
Sympathisch ist mir vor allem die kleine Luella Broderick, die als bis zum Übermut fantasievolles Mädchen mit erstaunlichem Mut gezeichnet wird. Nur wie alt sie ist konnte ich nicht herausfinden: zunächst heißt es, ihr Bruder sei 4 Jahre jünger als sie (Seite 6), da dieser 10 Jahre alt ist (ebenfalls Seite 6), müßte sie demnach 14 sein, aber auf Seite 9 wird sie als "Elfjährige" bezeichnet. Wobei ich 11 Jahre ihrem Verhalten gemäß für realistischer halte als 14 Jahre. Hier haben jedenfalls Autor und / oder Lektor geschlafen.
Insgesamt ein nicht überwältigender, aber trotz der Logikfehler unterhaltsamer Roman.


Besonderheiten:
Der Held des Romans, Chuck Mamulian, und seine Gegenspieler, die Orkusen, hatten zuvor bereits einen Auftritt im Silber Grusel-Krimi Nr. 213 "Orkusen-Terror" des gleichen Autors. Beim vorliegenden Roman handelt es sich somit um eine in sich abgeschlossene Fortsetzung dieser Miniserie. Ob dazwischen oder danach weitere "Chuck Mamulian"-Romane erschienen sind, ist mir derzeit nicht bekannt.


3 von 5 möglichen Kreuzen:

3 Kreuze


Kommentare zum Cover:

namentlich bekannte Künstler hat seinerzeit eine ganze Menge (stilistisch gleicher) Titelbilder abgeliefert. Schade, denn hätte der damalige Hauptzeicher des Zauberkreis-Verlags, Rudolf Sieber-Lonati, das Bild gemalt, wäre es wohl ein Top-Act geworden. So bleibt es beim Mittelmaß. Da es im Gegensatz zu vielen anderen Covern zum Roman paßt, gibt es hier noch 3 Kreuze.


Coverbewertung:
3 Kreuze