Eine Abhandlung über die Vampir-Horror-Roman -
Taschenbücher
von Thomas Mühlbauer
Eine Reihe, deren wahrer Wert erst jetzt richtig gewürdigt werden
kann - das VAMPIR- Taschenbuch. Durch das Konzept, abwechselnd Romane und
Anthologien beziehungsweise Kollektionen einzelner Autoren und einen sowohl
zeitlich wie auch thematisch weitgefassten Bereich der unheimlichen Phantastik
zu veröffentlichen, bildet die Reihe einen für jeden ernsthaften
Sammler unentbehrlichen Bestandteil seiner Sammlung. Die Namen der Autoren
lesen sich wie ein 'Who's Who' der Weird Fiction (und zum Teil auch der Science
Fiction und Fantasy), und so bildet das VAMPIR- Taschenbuch ein ernstzunehmendes
Pendant zu so renommierten und auch von der seriösen Literaturkritik
anerkannten Reihen wie der BIBLIOTHEK DES HAUSES USHER und der BIBLIOTHEK
VON BABEL. Das VAMPIR- Taschenbuch erschien monatlich (zuletzt zweimonatlich)
von Oktober 1973 bis März 1980 und kann einen Bestand von 81 Bänden
vorweisen. Dieser Fundus gliedert sich in 42 Romane, 16 Kollektionen und
23 Anthologien.
Von den vorliegenden 42 Romanen stammt der verhältnismäßig geringe Anteil von sieben Bänden aus der Feder deutschsprachiger Autoren, die, mit Ausnahme von Hubert Strassl/Hugh Walkerl BLUTFEST DER DÄMONEN (Bd. 17), erst in der Spätphase der Reihe erschienen. Von diesen Romanen ragen nur DIE DISCO-HEXE von Ernst Vlcek (Bd. 65) und PARASITEN DER HÖLLE, von Hans-Jürgen Raben/Miles Greene (Bd. 77) heraus, die von der Qualität sind, die Hugh Walker paradoxerweise in seinem Roman vermissen ließ: das BLUTFEST ist Walkers untypischster Gruselroman, der nicht über die Werke minder talentierter Schreiber hinausgeht. Vlceks Roman hingegen zeigt einmal mehr, wie eindringlich ein Roman sein kann, wenn man nur konsequent genug ist, den gängigen Klischees aus dem Weg zu gehen. Charismatische Nebenpersonen, komplexe Handlung und ein lakonischer Schluss kennzeichnen diesen Band. Greenes PARASITEN DER HÖLLE, wiederum erinnert in seiner sprachlich ausgefeilten und thematisch ähnlich gelagerten Struktur an diverse Romane von Hugh Walkea (ohne diesen jedoch zu kopieren). Die Romane DIE HEXE ISABEAU (Bd. 74) und HÖLLISCHE MÄCHTE (Bd. 79) bringen soliden Grusel mit stark erotischen Tönen, die eine Veröffentlichung im VAMPIR- Taschenbuch durchaus rechtfertigen. Nur Durchschnitt hingegen bieten DAS ERBE DES MAGIERS von Susanne Wiemer/John Wyman (Bd. 75) und DER FLUCH DES ÄGYPTERS von Elisabeth Bulla/Nelly Hamilton (Bd. 47), die leider zu sehr von den üblichen Klischees durchsetzt sind. |
Die Romanübersetzungen, allesamt aus dem Englischen und Amerikanischen, erweisen sich als wahre Fundgrube, die für jeden Leser etwas zu bieten hat. Die Spanne reicht vom ältesten Werk aus dem Jahre 1917 bis hin zu den Werken zeitgenössischer Autoren. Der größte Anteil stammt aus der Feder des Amerikaners Robert Lory, der mit einer siebenteiligen DRACULA- Serie (Bde. 5, 9, 13, 19, 25, 35 und 53) die Erlebnisse des vampirischen Grafen in der Gegenwart schildert. Es zeigt sich auch hier, wie deplaciert klassische Charaktere in der Gegenwart wirken, vor allem dann, wenn der Autor nicht in der Lage ist, Atmosphäre und Stimmung über tumbe Action und störende Anachronismen zu stellen oder gewisse Elemente des Gruselromans glaubhaft zu kombinieren. So bleibt nur eine sterile, nichts sagende und oberflächliche Serie, die kaum erwähnenswert ist (die Neuauflage des ersten Bandes in der Nachdruck-Reihe DÄMONENLAND des Bastei Verlages ist auch heute noch nicht gerechtfertigt). Auch nicht interessanter ist Lory's SOTHON - TOD AUS DEM SCHWARZEM WASSER (Band 81), der zu dem ursprünglich im DÄMONENKILLER- Taschenbuch gestarteten Zyklus 'Horrorscope' gehört. |
Der Engländer Wilfred McNeilly veröffentlichte unter zwei Pseudonymen im VAMPIR- Taschenbuch. Unter Peter Saxon brachte er zwei Werke (Brie. 27 und 31 um die Hauptpersonen Lionel Marks und Steven Kane, während in den fünf Romanen, (Bde, 15, 23, 33, 37 und 56, die er als Errol Lecale verfasste, der "Okkult-Spezialist" Eli Podram im Mittelpunkt steht. McNeilly zeichnet sich in seinen Romanen durch einen starken Hang zu Grausamkeiten aus, der in den VAMPIR- Bänden gemildert scheint, jedoch in anderen Werken (die im Anne Erber Verlag publiziert wurden) voll zum Tragen kommen. Pate für diese Romane stand vermutlich der englische Schriftsteller Dennis Wheatley; der in seinen reißerischen Thrillern um Satanismus und Okkultismus eine ähnliche Tendenz zeigt. Zumindest konnte man McNeilly nicht den Vorwurf machen, er wäre unvorbereitet an seine Werke herangegangen: intensive Beschäftigung mit okkulten Themen und vor allem dem Voodooglauben lassen sich aus allen seinen Werken herauslesen, was sich negativ vor allem auf die Lesbarkeit auswirkt. Zudem ist McNeilly kein begabter Autor, dessen Werke einen so großen Lesegenuß vermitteln würden, um dieses Manko auszugleichen. |
|
Mit dem VAMPIR-Taschenbuch Bd. 73 legte der Verlag die Romanfassung es eines
der einflussreichsten Filme des Genres vor: DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN
wurde verfasst vom Drehbuchautor (John Russo) des gleichnamigen Filmes, der
am Anfang einer ganzen Reihe von ähnlich gelagerten Streifen stand.
Weniger anspruchsvoll ist der Film THE PACK/DIE MEUTE (1977), dessen Romanversion
als VAMPIR- Taschenbuch Bd. 61 erschien. |
Einzelromane von unterschiedlicher Qualität werden dem Leser mit den Nummern 1, 21, 39, 45, 51 und 58 geboten darunter ein Frühwerk des mittlerweile zum Bestsellerautor avancierten "Ratten"- Autors James Herbert, eine wohl durchdachte Fortsetzung der Frankenstein Thematik von Paul W. Fairman und der Zeitreise-Roman HORROR-TRIP INS HEXENLIND von Irving A. Greenfield, der später noch einmal als VAMPIR HORROR-ROMAN Nr. 444 aufgelegt wurde. |
|
|
|
|
|
Drei Kollektionen stammen von Schriftstellern, die sich vornehmlich in anderen
Genres einen Namen gemacht haben. Der SF-Autor .James Gunn lieferte mit dem
Band DIE HEXEN SIND UNTER UNS (Bd. 48) drei eher erheiternde Geschichten,
während der vornehmlich im Kriminalmilieu tätige Edward D. Hoch
mit seine fünf Erzählungen aus der Sammlung SCHOCK UM MITTERNACHT
(Bd. 26) eher dem Reihensignet "Horror- Stories" gerecht wird. Der Band DAS
HAUS DES GRAUENS (Bd. 52) von CONAN Erfinder Robert Ervin Howard bildet einen
Höhepunkt innerhalb der Reihe VAMPIR- Taschenbuch. Intensiver kann sich
der Leser unheimliche Geschichten nicht wünschen, und wenngleich einige
der Texte einer nochmaligen Überarbeitung bedurft hätten, bietet
der Band Grauen von unverhüllter Intensität. Ein weiterer geplanter
Band mit Erzählungen von Howard konnte durch die Einstellung nicht mehr
im VAMPIR- Taschenbuch erscheinen, er wurde jedoch im April 1981 als Bd.
84 in der Reihe TERRA FANTASY unter dem Titel DAS UNGEHEUER AUS DEM SUMPF
nachgereicht. Noch augenscheinlicher als dem HAUS fehlt diesem Band der
'finishing touch', an Intensität mangelt es aber auch diesen acht
Erzählungen nicht. |
Keine Anthologie ist die Sammlung WETTLAUF MIT DEM SENSENMANN (Bd. 32), denn hinter den fünf auf dem Titelbild angekündigten Autoren verbirgt sich der Schriftsteller R. Lionel Fanthorpe, der auch hier mit seinen harmlosen Erzählungen vertreten ist. |
|
|
|
|
Bände aus renommierten Anthologie-Reihen bilden SCHREIE AUS DER SCHRECKENSKAMMER (Bd. 28), herausgegeben von Herbert Van Thal (PAN BOOKS OF HORROR) und DER TOTENVOGEL (Bd. 24), herausgegeben von Richard Davis (THE YEAR' S BEST HORROR STORIES). Kurt Singer, von dem auch bei anderen deutschen Verlagen Anthologien erschienen, betreute die Bände EISKALT IST DIE TOTENHAND (Bd. 16) und SATANSBRATEN A LA CARTE (Bd. 59), während vom bekanntesten und anspruchsvollsten Herausgeber unheimlicher Anthologien bei VAMPIR lediglich ein Band erschien: Peter Haining wählte die VISIONEN DES GRAUENS (Bd. 2) aus. Vier weitere Anthologien sind noch erwähnenswert. Neben drei Anthologien, die er für den Heyne Verlag herausgab, zeichnet DÄMONENKILLER- Autor Kurt Luif auch für GRÜSSE AUS DER TOTENGRUFT (Bd. 18) verantwortlich, während der vor allem durch seine HENKER- Romane (im VAMPIR HORROR-ROMAN und GESPENSTERKRIMI) bekannte Uwe Vöhl die sehr gelungene Anthologie DIE GALGENPUPPE (Bd. 78) mit Beiträgen deutschsprachiger Autoren herausgab; leider wurden hier die im Vorwort erwähnten Illustrationen des Zeichners Udo Linke nicht gedruckt. Die Anthologie EXKLUSIVE ALPTRÄUME (Bd. 4), die offensichtlich vom Verlag selbst zusammengestellt wurde, beinhaltet fast ausnahmslos Material aus dem legendären Magazin WEIRD TALES. |
Eine kleine Sensation bot der Verlag mit der Veröffentlichung des Bandes RENDEZVOUS MIT DEM WÜRGEENGEL (Bd. 36), wurde hier eine, wenngleich gekürzt, Ausgabe der von August Derleth im berühmten Verlag Arkham House herausgegebene Anthologie DARK MIND, DARK HEART offeriert, eine erstaunliche Leistung. |
|
|
Die Titelbilder, die sich bis Bd. 50 auch auf der Rückseite fortsetzen oder dort verkleinert abgedruckt wurden, stammen von einer Vielzahl von Künstlern. Besonders die frühen Bände unterscheiden sich angenehm von den üblichen Illustrationen, auch wurden auf den Nrn. 10, 12, 28, 58 und 59 zum Teil recht eindrucksvolle Photographien oder Montagen abgedruckt (wobei sich religiöse Puristen wohl am Cover zur Anthologie SATANSBRATEN A LA CARTE empört haben dürften), während die Illustration auf Band 34 heute wohl kaum mehr den Jugendschutz passieren dürfte. Zehn Bilder stammen vom Holländer Karel Thole (entgegen den Vermerken in den Bänden 26-30, 36, 37, 42-47, 49 und 50 wurden die Illustrationen nicht von ihm gefertigt) und acht weitere vom Russen Nikolai Lutohin. Band 37 trägt ein nachcoloriertes Filmfoto (aus PLAGUE OF THE ZOMBIES, Großbritannien 1965), während auf Band 60 das ursprünglich für den DÄMONENKILLER-Roman COCOS OPFERGANG (Nr. 149) geplante Titelbild gedruckt wurde. Die Illustrationen auf den Bänden 71 und 73 waren bereits zuvor auf VAMPIR HORROR-ROMAN Nrn. 287 und 285 zu sehen. Weitere Titelbilder wurden von Künstlern wie Manuel Prieto, Frank Frazetta und Dieter Ziegenfeuter gestaltet. Eine erstaunliche Sorgfalt wurde bei den Übersetzungen gewaltet, hier ist vor allem die Arbeit von Jürgen Saupe und Eva Malsch zu nennen. Eine besondere Erwähnung muß auch noch der (oder die) Verfasser der Klappentexte zu den Anthologien und Kollektionen erfahren, denn diese Einführungen und Inhaltsangaben sind in ihrer ironisch-sarkastischen Wortwahl meist ebenso amüsant wie die Geschichten selbst oder stehen bei "ernsthaftern" Texten in krassem Gegensatz dazu. |
In seiner thematischen Vielfalt und ansprechenden Aufmachung verdient es das VAMPIR- Taschenbuch, in jedem Bücherregal mit phantastischer Literatur präsent zu sein, und noch heute, über dreissig Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes, ist es möglich, die Reihe ohne Anstrengung zu komplettieren. Eine lohnende Aussicht, auch für die Zukunft. |