Vampir-Horror-Roman Nr. 208: Der schwarze Graf

Vampir-Horror-Roman Nr. 208: Der schwarze Graf


Ex 233 war die Zugnummer. Den Reisenden war die alte E-Lok mit ihren fünf Wagen als "Österreich- Italien- Express" bekannt. Wie Südbahnhof ab 23 Uhr, an Tarvisio 5 Uhr 14, in der kalten, nebligen Frühe. Aber noch war es nicht soweit. Durch Friesach war der Zug hindurchgedonnert. Auf der abschüssigen Strecke nach Treibach erhöhte er noch die Geschwindigkeit. Der Lokführer hatte das Schaltrad bis zum Anschlag gedreht und starrte in die Nacht, aus der nur die beiden Scheinwerfer ein paar Dutzend Meter der Geleise und Schwellen herausrissen. As poltern der Räder machte ihn schläfrig. Er überlegte, ob er sich aus der Thermosflasche eine Tasse Kaffee einschenken sollte, aber dann ließ er es doch lieber sein. Die Strecke begann hier schwierig zu werden. Steinschlag war an der Tagesordnung, in den Tunnels löste sich zuweilen ein Quader aus dem alten Mauerwerk der gewölbten Decke, und er hatte auch schon umgestürzte Bäume auf den Schienen gehabt. Der Zug tauchte in einen langen Tunnel. Die Schienen glänzten feucht, und von der Oberleitung sprühten blaue Blitze durch das Dunkel. Was war das plötzlich für ein Spritzen und Zischen? Der Lokführer kniff die Augen zusammen und starrte durch die Scheibe. Die matt erleuchteten Instrumente blendeten ihn. Er schaltete sie mit einem Hebeldruck aus. Vor ihm blitzten die Schienen wie gleißende Bänder, aber vom Schotter und von den Schwellen konnte er nichts mehr erkennen. Da war nur noch eine glatte glänzende Fläche... Er beugte sich noch weiter vor, stieß mit der Stirn an die kalte Verglasung des Führerstands.


von Thomas B. Davies, erschienen 1977, Titelbild: Manuel Prieto Muriana

Rezension von Adee:


Kurzbeschreibung:
Weltenbummler und Ich-Erzähler Gerard d´Aubry kehrt nach Jahren als Agrarexperte und Entwicklungshelfer in Afrika in die Heimat zurück, in die schöne Grenzregion zwischen Österreich und Italien. Er will in das Schloß, in dem seine schöne Cousine Maria von Haller lebt und den Besitz verwaltet. Aber schon auf dem nächtlichen Fußmarsch vom Zug begegnet er am Kroatenkreuz einem unheimlichen Mann, der sich in Luft auflöst. Ein Spuk!
Aber d´Aubry ist in Afrika mit allerlei Magie in Berührung gekommen und kennt sich aus. Wie er sich überhaupt in allem auskennt. Maria weiß es zu schätzen, denn jemand sabotiert ihre Forstarbeit, ganze Flüsse werden auf unerklärliche Weise umgeleitet, Waldarbeiter sterben auf mysteriöse Weise. Und dann kommt auch noch der Hofrat Moser aus der Stadt, um nach dem rechten zu sehen.
D´Aubry findet schnell heraus, dass die Flüsse mit Schwarzer Magie umgeleitet werden und überall Teufelszeug sein Unheil treibt. Er rettet dem Hofrat das Leben, der wegen einer winzhigen Verletzung auszubluten droht und vertreibt die Rabenschaar über dem Schloss, die angreift und sich selbst gegen ein paar Ladungen Schrot immun zeigt.
Hinter dem finsteren Treiben steckt Graf Fabiano, der Nachbar, der seinen Besitz abgewirtschaftet hat und sich mit Teufelsanbetern zusammengetan hat, um Maria um Gut und Leben zu bringen. D´Aubry findet eine Spur zu den Höhlen im Berg, wo der Graf eine Schwarze Messe feiern will, um Maria endgültig zur Strecke zu bringen. Aber das alles ist gar kein Problem für d´Aubry, der mittlerweile ein Auge auf die schöne Maria geworfen hat. Und er sorgt dafür, dass Fabiano den Spuk bitter bereut.


Meinung:
Thomas B. Davies hat nicht viele Romane zum VHR beigesteuert. Aber er hat meistens zumindest für eine originelle Idee gesorgt, und dieser Roman fällt nun sehr aus dem Rahmen. Ein Spuk im Heimatfilmmilieu, wo plötzlich noch der albernste Aberglaube unter dem Berg funktioniert und böse Dinge wie der "Aramäische Wasserzwang" ganze Dörfer von ihrer Wasserversorgung abschneiden, während sich die rechtschaffenen Helden erst mal mit einer von der Kathi gekochten strammen Mahlzeit sättigen, bevor unser Held mit drei zusammengebundenen Stöcken und einer Anrufung des heiligen Theobald finstere Flüche abwehrt.
Land und Leute sind überzeugend geschildert, die Dialoge natürlich und so viel besser als vieles, das man heute so geboten bekommt. Der Leser erfährt mehr über Forst- und Wasserwirtschaft, als ihn eigentlich interessiert, während d´Aubry durch die Schluchten kraxelt und unaufhörlich sein okkultes, aus Afrika stammendes Wissen abspult. Und auch wenn Davies´ Helden dazu neigen, arrogante Besserwisser zu sein, die nie auch nur einen Moment in Gefahr schweben, weil sie ihrer Umwelt so überlegen sind und es sie unablässig wissen lassen -, schöpft die finstere Bedrohung so tief aus dem ländlichen Aberglauben, dass man das auch noch über 20 Jahre nach Erscheinen mit großem Vergnügen lesen kann. Vermutlich hat es jeden jugendlichen Leser damals schrecklich gelangweilt, vor allem, weil der besagte "Scharze Graf" das erste Mal am Ende die Bühne betritt und es weder Monster noch Zombies noch Vampire gibt. Von Action fehlt hier nun jede Spur, auch wenn mal im Berg gesprengt wird, aber auf seine Weise ist es eine gelungene Abwechslung zu vergleichbaren 08/15-Romanen aus dieser Zeit.


4 von 5 möglichen Kreuzen:
4 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Schwach, auch wenn es ein schwarzer Graf ist. Ein typisches Frauengrusler-Bild, inklusive des Lichts im Turmfenster.


Coverbewertung:
1 Kreuz
Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Dieses Motiv wurde seitenverkehrt auch noch auf der 1982 erschienenen finnischen Publikation "Alfred Hitchcock" Nr. 7 verwendet:

"Alfred Hitchcock" Nr. 7