Vampir-Horror-Roman Nr. 291: Der Rächer aus dem Schattenreich

Vampir-Horror-Roman Nr. 291: Der Rächer aus dem Schattenreich


Es schlug Mitternacht, als Chuck O'Connor, der Totengräber von Rosscavan, seine Stammkneipe verließ. Chuck war ein bisschen angesäuselt, nicht viel, nur wie ein trinkfester Ire nach einer halben Flasche Whisky eben beisammen ist. Er blieb einen Moment vor der Tür des Wirtshauses stehen, schlug den Kragen seiner Jacke hoch, zog die Mütze in die Stirn und lauschte den Glockenschlägen nach, die melodisch in nächtlichem Dunkel und bleichemNebel verhallten. Der Himmel war, mit bleifarbenen Wolken verhängt, ein feuchter, sich immer mehr ver- dichtender Nebel stieg von der Erde auf, er hängte sich in phantastischen Formen in die kahlen Äste der Bäume, umbraute die Friedhofsmauer auf der anderen Seite der Straße wie gärender Wein und hauchte einen Dunst zum Himmel hinauf, wo sich der volle Mond mühte, sein Licht durch die schnelltreibenden Wolken auf die Erde zu gießen. Der letzte Glockenschlag war verhallt, da schob Chuck seine Hände in die Hosentaschen, pfiff leise ein altes Lied vor sich hin und marschierte los. Sein Häuschen lag genau an der anderen Seite des Friedhofs. Wie immer, wenn Chuck des Nachts nach Hause ging, nahm er die Abkürzung durch die Hauptallee, denn er sah nicht ein, weshalb er einen Umweg machen sollte, zumal er doch die Schlüssel zu den Toren hatte und frei war von jeder Furcht vor den Toten. Vor den Lebenden muß man sich in acht nehmen, pflegte er zu sagen, wenn er gefragt wurde, ob es ihm denn nicht grause, wenn er in der Dunkelheit zwischen den Gräbern hindurch seinen Heimweg nehme. Die Verstorbenen haben all ihre Bösartigkeiten und Hinterlist abgelegt, sagte Chuck, die tun niemandem mehr etwas zuleide. Die Toten sind tot. Ein für allemal.


von Waldo Marek, erschienen 1978, Titelbild: JAD
Rezension von Adee:


Kurzbeschreibung:
Spoiler folgen: Im kleinen irischen Dörfchen Rosscavan in der Nähe von Pooka Manor, dem verrufenen Schloss von Derek Hexenhammer Hammers Familie, wird der Totengräber O´Connor Zeuge, wie sich ein Untoter aus der Erde buddelt. Er nennt sich Tatane und leidet unter Amnesie. O´Connor kann ihm entkommen und mobilisiert erst einmal seine Kumpel von der IRA, die das Monstrum bändigen und verbrennen wollen. Aber Tatane kann sich befreien und schafft es nach Pooka Manor, wo ihn schon der Paragnost Julien Toucourt und der geheimnisumwobene Graf von Saint-Germain erwarten.
Derek Hammer liegt mittlerweile nach dem Kampf gegen Lemuron im Koma und wird nach München geflogen. Mit an Bord ist Zervane Akarane, ein einszwanzig großer Gnom. Akarane ist niemand anders als die zum Leben erwachte Götterfigur Arganthonios, der in Wirklichkeit ein altpersischer Schutzgeist ist. Akarane ist eine großmäulige Nervensäge, der von sich selbst behauptet, schon Merlin unterrichtet zu haben. Ständig hat er Wutausbrüche, dann ist er wieder lammfromm. Außerdem hat er die Fähigkeit, sich in einen x-beliebigen Gegenstand zu verwandeln. Er hält die Anstrengungen der Para-Institutsärzte, Hammer aus dem Koma zu holen, für Humbug.
Der Graf von Saint-Germain, ein Magier, der angeblich über 4000 Jahre alt ist, war ein Gefolgsmann des Magus und Lemurons. Noch weiß er nicht, dass beide in Marokko vernichtet wurden. Der Geist des Untoten entpuppt sich als völlig gelöscht, er weiß nicht, warum er auf der Welt ist oder wer er ist. Aber allein schon die Erwähnung des Namens Lemuron lässt ihn toben. Allerdings kann er Menschen die Lebenskraft entziehen und übernimmt damit ihr Wissen. Er kann sogar einen Phantomkörper aufbauen und sieht dann für alle Welt wie sein letztes Opfer aus. Saint-Germain reist mit Tatane nach München, um Derek Hammer aus dem Institut zu entführen. Denn es besteht die Möglichkeit, dass sich Lemuron in Hammers Körper gerettet hat.
Im Para-Institut verzweifelt Vesta Banshee beinahe daran, dass Hammer nicht aufwacht. Arakane will ihn magisch behandeln, was damit endet, dass Jauche von der Decke tropft. Denn das kleine Dämonengroßmaul ist völlig inkompetent. Als Vesta dann noch einen Anruf von einer Banshee erhält, die zufällig gehört hat, dass man Hammer entführen will, verfällt sie in Panik. Aber die Ärzte halten das Institut für uneinnehmbar. Saint-Germain und Tatane können Hammer jedoch dank der Fähigkeiten des Untoten mühelos entführen. Fortsetzung folgt.


Meinung:
Der zweite und letzte Hexenhammer-Zyklus wurde von Walter Mauckner (sonst Georges Gauthier, hier Waldo Marek) und Walter Appel (Earl Warren) geschrieben, wobei Appel von den sieben Romanen nur zwei verfasste. Man kann nur spekulieren, wer für die Exposés zuständig war, ob das noch Ernst Vlcek machte oder ob die anderen Autoren das selbst übernahmen. Angeblich hat Kurt Luif noch die ersten paar Seiten dieses Romans geschrieben, bevor er bei dieser Serie endgültig das Handtuch warf.
Die "sorgfältige" Handlungsabstimmung des ersten Zyklus wird erst einmal nahtlos fortgesetzt. Zwischen dem Ende des Vorromans und dem Anfang dieses Romans ist aus der Statue Arganthonios plötzlich der Gnom Zervane Arakane geworden. Das wird dem Leser so präsentiert, dass man sich unwillkürlich fragt, ob man einen Roman verpasst hat oder ein paar Seiten nicht gedruckt wurden. (Seltsamerweise sind auch Red Dunbar und Napoleon Drakula ohne Erklärung aus der Handlung verschwunden.) Aber solche Patzer gehören ja beim Hexenhammer dazu. Arakane ist einfach da und nun ein persischer Schutzgeist. Offensichtlich reichte den Autoren der putzige Vampiropa Napoleon Drakula noch nicht als Witzfigur, also bekommt der mit dem großmäuligen MiniDämon, der nicht einmal richtig zaubern kann, einen Spielgefährten. Und statt Hammer zu helfen, taucht der Möchtegernzauberer ihn in Jauche, und statt Vesta zur Versöhnung ein Bad mit Rosenwasser einzulassen, wird daraus stinkende Tinte. Gröhl! Ist das komisch!!!! Nun gut, das ist Geschmacksache. Betrachtet man einmal die lange Reihe "witziger" Sidekicks in phantastischen Heftserien, die wie Eddie Arent in den Wallace-Filmen von Mord und Totschlag ablenken sollten, von Nappy bis zum Drachen Fooley, müssen das viele Leser wohl tatsächlich amüsant finden, und das ist natürlich völlig okay. Dieser Leser betrachtet sie als nervige und peinlich unspaßige Atmosphärekiller, die mehr als nur einen Roman versaut haben. :-)
Nun ist Mauckner kein Actionautor, sondern bevorzugt ein eher gemächliches Tempo. Hier legt er einen sauber erzählten und stimmigen Roman vor, der mit seinem Blick für Details und seiner Sorgfalt überrascht. Der Autor hat offenbar ein Faible für Esoterik, Geschichte und Fachjargon, also ist auf einmal die Rede von Paragnosten - Menschen, die im Geist in die Ferne schauen können , Petrifaktion (Verwandlung in eine Steinfigur), und Aurenlesen, man plaudert über Okkultismus und Dr. Dee. Plötzlich gibt es Lokalkolorit, ob in Irland oder München, die Schurken haben tatsächlich mal einen funktionierenden Plan, selbst die Nebenfiguren handeln einmal nicht wie Grenzdebile. Es kommt sogar Spannung auf, weil geschickt suggeriert wird, dass Hammers Körper nun von Lemuron besetzt ist. Oder steckt der Dämonengeist im Körper des mysteriösen Tatane? Oder ist das gar Hammer? Der Leser erfährt es nicht. Witzigerweise ist Hammer, wo er im Koma liegt, viel interessanter als in der Hälfte der vorangegangenen Romane :-)
Interessant ist auch die Figur des Grafen von Saint-Germain, einem Klassiker des Okkultismus, der hier überzeugend als souveräner und durchaus ambivalenter Gegenspieler aufgebaut wird. Und auch wenn das wie immer Horror light ist und niemand zu schaden kommt, nicht einmal die vom Untoten ausgesaugten - was aber im Kontext tatsächlich ausnahmsweise einmal Sinn macht --, ist das ein kompetenter Roman, der auf die Fortsetzung neugierig macht.


Besonderheiten:
Hexenhammer 14
Erster Auftritt von Zervane Arakane, dem persischen Schutzgeist.
Erster Auftritt von Graf von Saint-Germain.


3 von 5 möglichen Kreuzen:
3 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Mal ein Agenturbild, das zum Inhalt paßt. Hübsches Gruselmotiv.


Coverbewertung:
3 Kreuze